Antonias Wille
Ewald Breuer gefragt. Dann hätten die Gäste die Wahl zwischen einer günstigeren Unterkunft im »Fuchsen« und der etwas teureren Variante, bei der sie direkt im »Kuckucksnest« wohnen würden. Selbstverständlich durften auch alle anderen Gäste des »Fuchsen« die Kurse im Arthotel in Anspruch nehmen, hatte Julie noch hinzugefügt. Vielleicht konnte man einen Shuttle zwischen dem Dorf und dem Berghof einrichten?
Das Gespräch verlief jedoch zäh und war gespickt mitunterschwelligen Vorwürfen gegenüber Julie und Antonia. Dass die alte Dame eine entfernte Verwandte der eigenen Familie vorgezogen hatte â dieser Stachel saà tief, vor allem im Fleisch von Martina Breuer. Doch am Ende hatten die Breuers eingewilligt, einen Versuch zu wagen. Julie hoffte, dass sich die Zusammenarbeit als Erfolg und nicht als Fehler erweisen würde.
Als Nächstes galt es, die Personalfragen zu klären. Was den Kunstunterricht anging, hatten Theo und Julie eine Ãberraschung erlebt: Ihre Dozenten drängten sich geradezu danach, im »Kuckucksnest« unterrichten zu dürfen! Julie musste heute noch lächeln, wenn sie daran dachte, wie sie bei den Gesprächen zunächst herumgedruckst hatte. Ob sich auch nur einer ihrer exaltierten Kunstlehrer freiwillig täglich auf die kurvenreiche, steile Fahrt in Richtung Südschwarzwald aufmachen würde? Doch fast alle waren von der Idee begeistert gewesen und gern bereit, dafür die Fahrt auf sich zu nehmen. Zumal Theo und Julie entschieden hatten, »Soul Fantasies« in Freiburg nicht aufzugeben, sondern wie bisher weiterzuführen. Alle vierzehn Tage würde Theo für eine Woche nach Freiburg ziehen, um nach dem Rechten zu sehen â sowohl sie als auch Julie wollten ihre Wohnungen in der Stadt fürs Erste behalten. Die restliche Zeit war Kurt, einer ihrer ältesten Mitarbeiter, für die Kunstschule verantwortlich. Ihren Dozenten bot sich dadurch die Möglichkeit, turnusmäÃig mal hier und mal dort zu arbeiten. Dies verlangte zwar ein hohes Maà an Organisation, doch das würden Theo und Julie schon meistern.
Für das Arthotel wurden eine Hausdame, ein Koch und mehrere Zimmermädchen eingestellt, allesamt Frauen aus Rombach, die halbtags arbeiteten.
Bei dem Gedanken an den Koch begann Julies Bauch vorwurfsvoll zu grummeln. Doch gleichzeitig fühlte sie sich plötzlich leicht und unbeschwert, und die Vorfreude überwog ihr Lampenfieber. Vom heutigen Tag an wurde das »Kuckucksnest« wieder mit Leben gefüllt, so wie Antonias Wille es vorsah.
Julie streckte beide Arme in die Höhe und dehnte sich wie eine Katze.
Jetzt würde sie die Croissants aus Theos Auto holen!
Julie lieà es sich nicht nehmen, ihren »Ehrengast« persönlich abzuholen, obwohl die Breuers angeboten hatten, Antonia mitzubringen.
Die vielen Menschen, die Eröffnungszeremonie, bei der sie den letzten, symbolischen Pinselstrich am Hotel vornehmen sollte â statt Vorfreude zeichnete die Aufregung tiefe Furchen in Antonias Stirn. Erst als sie den offiziellen Teil des Tages hinter sich gebracht hatte, glätteten sich diese allmählich wieder.
»Nun? Wie findest du alles?« Julie machte eine weit ausholende Handbewegung in Richtung Speisesaal, wo sich die Gäste noch bedienten. Sie selbst war so aufgeregt, dass sie kaum einen Happen hatte essen können. Antonia schien es nicht anders zu gehen. Sie hielt sich an einem Sektglas fest und lächelte.
»Es ist wunderschön geworden! Viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Ihr habt die Seele des âºKuckucksnestsâ¹ bewahrt, aber auch viel Eigenes hinzugefügt, sodass etwas Einzigartiges entstanden ist. Die Leute werden euch die Bude einrennen, warte nur ab!«
Das Sektglas in Antonias Hand zitterte ein wenig, ob vor Erschöpfung oder Rührung konnte Julie nicht sagen.
»Komm, lass uns einen Moment nach drauÃen gehen! Ein wenig frische Luft kann nicht schaden.« Sie reichte Antonia ihren rechten Arm und zog sie in Richtung Ausgang.
Sie kamen nur langsam voran. Immer wieder wurden sie von jemandem angehalten, der seine Begeisterung kundtun wollte oder eine konkrete Frage hatte. Julies Sorge, ihr rotes Chiffonkleid sei zu elegant für diesen Anlass, hatte sich als unbegründet herausgestellt. Auch die anderen Frauen hatten sich schick gemacht. Wie bunte Sommerblumen mischten sich lange
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