Antonias Wille
Ãbrigens, ich heiÃe Zacharias Breuer, und wer bist du?« Er stieà sich vom Türrahmen ab und kam um den Holztrog herum.
»Rosanna Schwarz.«
»Mutter sagt, du wärst auf dem Weg in die Schweiz.«
Rosanna nickte und wusch sich in dem restlichen Wasser im Eimer die Hände. Dann trocknete sie sie mit einem Lappen, der an einem Haken an der Wand hing. Seit der junge Mann das Backhaus betreten hatte, kam es Rosanna auf einmal viel kleiner vor. Was wollte er von ihr? War er von seiner Mutter geschickt worden, um sie auszuhorchen?
Als hätte er alle Zeit der Welt, begann Zacharias, mit einem kleinen Holzsplitter, den er vom Türrahmen abgerissen hatte, den Schmutz unter seinen Fingernägeln zu entfernen. »Und was willst du ausgerechnet in der Schweiz?«
Er runzelte die Stirn, und Rosanna wusste nicht, ob dies ihren Plan, in die Schweiz zu reisen, betraf, oder ob er sich nur auf seine Aufgabe konzentrierte. Aber es sah drollig aus. Unwillkürlich musste sie lachen.
»âºAusgerechnet in der Schweizâ¹Â â wie du das sagst! Als ob ich ins Türkenland auswandern wollte. Oder nach Amerika! Aberich sagâs dir gern: Ich will wegen der Arbeit in die Schweiz.« Sie sah ihn herausfordernd an.
»Dafür braucht man doch nicht so weit zu reisen!«, erwiderte er prompt und lachte ebenfalls. Dabei zeigten sich auf seinen Wangen ausgeprägte Grübchen. »Die Arbeit rennt einem auch hier den ganzen Tag hinterher. Und kaum glaubt man, fertig zu sein, steht schon das nächste Geschäft bevor! Gerade sind mein Bruder und ich beim Schlachten und Wursten, danach will mein Vater noch mit mir das Dach ausbessern. Dann muss die Wirtsstube für den Abend hergerichtet werden und so weiter â¦Â«
Rosannas Lippen wurden schmal. Dafür, dass er so beschäftigt war, hatte er viel Zeit zum Plaudern. Ihr Vater wäre schnell mit dem Prügel zur Stelle gewesen, hätte sie sich mitten am Tag eine solche Pause erlaubt!
Die beiden schwiegen. Rosanna war es nicht gewohnt, mit Fremden zu sprechen, auch wenn dieser hier einen netten Eindruck machte. AuÃer dem Fuhrmann von der Glashütte, der alle zwei Wochen die Holzkohle abholte, und einigen Hausierern, die sich im Laufe eines Jahres im Wald verirrten, waren selten Fremde zu ihnen gekommen. Die Einzigen, die Rosanna regelmäÃig zu Gesicht bekommen hatte, waren andere Köhlerfamilien und Harzer, die zum Brotkaufen zu ihnen kamen. Und dies waren in der Regel allesamt recht wortkarge Leute.
»Eine Köhlerin bist du, sagt meine Mutter, und dass deine Eltern beide tot sind«, hob Zacharias schlieÃlich erneut an.
Rosanna nickte. Genau das hatte sie Frau Breuer erzählt, alles andere wäre zu kompliziert gewesen.
Noch immer musterte der Breuer-Sohn sie mit unverhohlenem Interesse. Um nicht länger tatenlos herumzustehen, schaute sich Rosanna nach etwas um, womit sie den Teigtrog abdecken konnte, und entdeckte ein Brett in der passenden GröÃe. Nachdem sie es über den Trog gelegt hatte, sagte sie: »Wennâs so viel Arbeit gibt ⦠Solange der Teig geht, hätte ich Zeit zu helfen â¦Â«
Anton war ganz anders als sein Bruder, das habe ich gleich gesehen. Er sah schon damals viel älter aus, obwohl er nur drei Jahre früher geboren war als Zacharias. Ansonsten sahen sich die beiden Brüder ähnlich, zumindest auf den ersten Blick. Aber bei Zacharias wirkte die Leibesfülle kraftvoll, während Anton eher Behäbigkeit ausstrahlte. Auch seine Miene war meistens eher reglos. Dagegen konnte man in Zachariasâ Gesicht lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch! Wenn er etwas komisch fand, vertieften sich seine Grübchen, und aus seinen Augen sprühten tausend Funken. Sein ansteckendes Lachen war stets im ganzen Raum zu hören â nicht gerade zum Nachteil für einen Wirt, dachte ich bei mir. Ich muss zugeben, dass mir Zacharias schon am ersten Tag gefiel. Sein Bruder hingegen war mir ziemlich gleichgültig. Er starrte zwar hin und wieder von seinem Kessel Blutwurst zu mir herüber, aber mehr als ein paar Worte brachte er nicht heraus. Im Gegensatz zu Zacharias! Dessen Mund hat eigentlich fast nie stillgestanden. Kaum hatte ich das erste Huhn zum Rupfen zwischen den Beinen, begann er zu erzählen: vom ersten Mai und dass er und ein paar Kameraden im Nachbardorf den Maibaum abgesägt hätten. Dass es den »Fuchsen« schon seit
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