Antonias Wille
achtzig Jahren gebe und dass sein Vater nun vorhabe, Reisenden auch Fremdenzimmer anzubieten. Dass die GroÃeltern väterlicherseits mit im Haus lebten, der Vater seiner Mutter aber allein auf einem groÃen Berghof ganz in der Nähe wohne.
Anton war die Beredsamkeit seines Bruders wohl ein wenig peinlich. Vielleicht war er aber auch nur der Ansicht, dass man einer Fremden gegenüber nicht so schwatzhaft sein sollte. Jedenfalls hat er mehr als einmal die Augen verdreht. Eins muss ich sagen: So unterhaltsam war es noch nie, ein Hühnchen zu rupfen!
Beim Abendessen lernte ich dann auch den Rest der Familie kennen: Gustav Breuers Eltern, Katharina, die älteste Tochter, und natürlich Simone â¦
Auf ihrer Reise vom Norden des Schwarzwalds in den Süden war Rosanna an vielen groÃen Höfen vorbeigekommen. In jedem Dorf, manchmal aber auch einsam am Wegesrand, standen riesige Höfe mit tief gezogenen Dächern und vielen kleinen Fenstern. Doch keiner schien ihr im Nachhinein so groà wie das Breuersche Anwesen mit dem Wirtshaus.
Nachdem Rosanna Zacharias und Anton in der Wurstküche geholfen hatte, schob sie die erste Ladung Brote in den Ofen. Danach bestand Zacharias darauf, ihr das Anwesen zu zeigen. Obwohl Rosanna neugierig war, wollte sie mit den Broten kein Risiko eingehen und drängte daher zur Eile. So nahm sie alles nur flüchtig wahr: das Wirtshaus, wo Franziska Breuer über einem Stapel Papiere saà und ihnen einen ärgerlichen Blick zuwarf, daneben die Küche, hinter dieser die gute Stube, wo Gustav Breuers Eltern auf der Kunst saÃen, dem Nebenofen, dessen Steinbank durch den Kachelofen erwärmt wurde. Ganz rechts lag schlieÃlich der Stall, in dem vier gesunde Hinterwälderkühe, ein paar Ziegen und eine ordentliche Menge Schweine untergebracht waren. Am liebsten wäre Rosanna zu den Kühen gegangen und hätte deren samtweiches Fell gestreichelt. Weil dafür jedoch keine Zeit blieb, sog sie nur tief den Duft nach Heu und Stroh und Milch ein. Ein Teil des Stalls war frisch eingestreut, aber leer. Hier sollten die Pferde der Reisenden untergebracht werden, erklärte Zacharias.
Teilweise waren die Zimmer miteinander verbunden. Manchmal mussten sie jedoch auch durch eine rückwärtige Tür in den Hof treten, um dann durch eine andere Tür in den nächsten Teil des Hauses zu gelangen. Im oberen Stockwerk befanden sich die Schlafkammern und auch der Heuschober, den Gustav Breuer zu Fremdenzimmern ausbauen wollte. Rosanna wurde es ganz schwindlig vor lauter Zimmern und Kammern und Räumen!
»Wie um alles in der Welt kann sich ein Mensch in einem so groÃen Haus zurechtfinden?«, fragte sie Zacharias, woraufhin er schallend lachte. Sein Besitzerstolz war bei jedem Zimmer,das er ihr zeigte, gewachsen. Zum Schluss gingen sie unter dem tief gezogenen Dach um das Haus herum und landeten wieder im Hof, in dem im äuÃersten rechten Winkel das Backhaus und im äuÃersten linken Winkel das Schlachthaus standen. Dazwischen befanden sich noch das stille Ãrtchen sowie eine Art Scheune, die Zacharias »das Lager« nannte. Mit stolzgeschwellter Brust wollte er es Rosanna ebenfalls zeigen, doch sie winkte ab â sie hatte sich schlieÃlich um das Brot zu kümmern. Sie war gerade noch rechtzeitig ins Backhaus gekommen, um die erste Ladung aus dem Ofen zu nehmen.
Es war kurz vor sechs Uhr, als Rosanna das letzte Brot herausholte. Um sechs sollte es Nachtessen geben, hatte Franziska ihr gesagt.
Zufrieden schaute Rosanna auf das Regal, in dem das Backwerk des Tages lag â genau dreiÃig Laibe und einen Korb voller kleinerer Zöpfe hatte der Teig ergeben. Ihre Arme zitterten vor Erschöpfung. Eine warme Mahlzeit und ein Lager für die Nacht hatte sie sich redlich verdient! Ein letzter prüfender Blick, ob auch alles sauber war, dann verlieà sie das Backhaus und ging zu dem Wassertrog, der an der Rückseite des Hauses angebaut war und in den kaltes Wasser plätscherte. Direkt daneben befand sich ein hölzerner Verschlag. War das etwa ein weiteres stilles Ãrtchen? Als Rosanna hineinlugte, erkannte sie, dass es sich um einen Kühlraum für Milchkannen handelte, durch den in einer hölzernen Leitung das Wasser floss, das den Wassertrog speiste. Wie praktisch!
Während sie ihr Gesicht wusch, fragte sie sich, wie sie jetzt wohl am schnellsten in die Küche gelangte. Der einzige Raum,
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