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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Beine in den Bauch. Mit bloßen Füßen! Jedes Mal, wenn sie sah, dass eine der Kühe Wasser ließ, war Simone hingelaufen und hatte sich in die warme Pfütze gestellt. Die Mutter wollte nichts davon wissen, Schuhe für sie anzuschaffen. Einmal hatte Simone gewagt zu sagen, dass sie Aufgaben für die Schule zu machen habe und nicht mit den Kühen hinauskönne. Da hatte es Schläge gesetzt! Und am nächsten Tag hatte der Lehrer in der Schule auch noch seinen Stock herausgeholt, weil sie die Aufgaben nicht gemacht hatte.
    Simone riss so heftig an einem besonders hartnäckigen Schössling, dass ihre Handinnenfläche brannte. Doch schließlich lockerte sich die Pflanze.
    Eine weniger!
    Nach dem Hacken kam das Düngen, was noch schlimmer war. Eimer für Eimer würde sie den Mist vom Misthaufen hinter dem Stall den Berg hochschleppen und dann mit der Harke unter die Erde ziehen müssen. Nach dem Düngen spürte Simone abends ihre Schultern nicht mehr. Und wenn sie damit fertig war, wurde es Zeit, das erste Heu zu machen.
    Â»Freu dich doch, dass du so viel an der frischen Luft seinkannst!«, hatte Rosanna gesagt, als sie sich gestern Nacht über die harte Arbeit beklagt hatte. »Während uns die Sägespäne um die Ohren fliegen, kannst du dem Kuckuck und den Käuzchen lauschen.«
    Simones schiefer Mund wurde durch das Lächeln, das sich darauf abzeichnete, noch schiefer.
    So war Rosanna! Ein Engel, der immer nur das Gute sah. Der nirgendwo böse Absichten erkennen konnte.
    Die Hacke sank zu Boden, und Simones Blick verlor sich in der Ferne. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass es das Schicksal so gut mit ihr gemeint, dass Gott ihr einen Engel geschickt hatte! Sie nahm die Hacke wieder auf und drückte sie wie eine Puppe an ihre Brust. Mit geschlossenen Augen versuchte sie, sich Rosannas Gesicht vorzustellen. Ein Engel mit goldenen Haaren, sanften, strahlend blauen Augen und einer Haut, so fein und gleichmäßig wie Porzellan.
    Die andern wussten nicht, dass Rosanna ein Engel war. Sahen lediglich, wie fleißig sie arbeitete, ganz gleich, ob sie wie heute Vater und Zacharias beim Umbau der Dachkammern unterstützte oder ob sie Anton in der Wurstküche half oder Mutter beim Waschen. Sie hatte sogar schon angeboten, im Wirtshaus zu bedienen – aber da hatte sich sofort Kathi eifersüchtig dazwischengedrängt. Sie konnte Rosanna nach Strich und Faden ausnutzen, aber ihr ausnahmsweise einmal eine angenehme Aufgabe zu gönnen wäre ihr nie in den Sinn gekommen.
    Dumme Kathi! Sie sah in Rosanna nur die Magd, die man herumscheuchen konnte.
    Aber sie, Simone, wusste , dass Rosanna ein Engel war, der ihr geschickt wurde, denn sie selbst konnte sich unsichtbar machen, und dann sah und hörte sie Dinge, die sie nach Meinung der andern gar nicht hören sollte. Wie beim letzten Waschtag …
    Simone musste plötzlich schlucken.
    Mutter und Rosanna hatten schon frühmorgens angefangen, die verschmutzten Kittel der Männer in Lauge einzuweichen. Sie selbst hatte noch die Wirtsstube wischen müssen, danachsollte sie den beiden zur Hand gehen. Schon als sie sich dem Waschhaus näherte, hörte sie die Mutter. Sie sprach vom Kinderkriegen. Davon, dass Vater und sie so froh gewesen waren, als vor siebzehn Jahren Zacharias geboren wurde. So groß und kräftig schon als Säugling! Der Hofengel! Der jüngste Sohn! Ihm wollten sie einmal das Wirtshaus vermachen, so war es im Schwarzwald üblich. Er würde dafür sorgen, dass es ihnen auf ihre alten Tage einmal so gut erging wie derzeit ihren Schwiegereltern. Während Rosanna dem Geräusch nach mit dem großen Holzlöffel in der Lauge rührte, setzte Mutter ihren Redefluss fort.
    Wirklich glücklich hatte sie jedoch nur vier Jahre lange sein dürfen, vertraute sie Rosanna an. Dann hatte sie nämlich feststellen müssen, dass sie wieder schwanger war. Mit Simone.
    Â»Simone ist schon dreizehn? Dann ist sie ja nur vier Jahre jünger als ich!«, rief Rosanna erstaunt aus. »Ich habe sie für wesentlich jünger gehalten.«
    Simone schob sich näher an die Tür des Waschhauses heran, damit sie die beiden Frauen nicht nur hören, sondern auch sehen konnte.
    Â»Ich wollte das Kind nicht haben, nicht ums Verrecken! Was hab ich nicht alles getan, um es loszuwerden! Morgens, wenn ich mit dem Melken fertig war, bin ich auf die Strohballen

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