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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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geklettert und immer wieder von oben auf den Boden gehüpft. Den Knöchel hab ich mir dabei verstaucht, mehr ist nicht geschehen. Einen Kopfstand hab ich auch versucht, aber er ist mir nicht gelungen.« Nach kurzem Schweigen fuhr die Mutter fort: »Wenn ich mir vorstelle, es wäre jemand in den Stall gekommen und hätte mich so entdeckt … Und gehustet hab ich! Bei einem Hustenanfall würde man sein Kind verlieren, heißt es doch. Aber ich konnte machen, was ich wollte, die Kleine klammerte sich in meinem Leib fest!« Während sie sprach, bearbeitete sie ein Kleidungsstück so hart mit der Bürste, dass es sicher ganz dünn wurde.
    Â»Als sie drei Jahre alt war, hab ich geglaubt, das Schicksalhätte doch noch ein Einsehen mit mir. Es war fast schon Herbst, und draußen im Garten standen zwischen dem Kohl und den Rüben die ersten Herbstzeitlosen. Und von denen hatte sich das kleine Luder eine in den Mund gesteckt. Fünf Samen dieser Blume sind tödlich, wusstest du das?«
    Rosanna antwortete nicht auf die so beiläufig gestellte Frage. Wahrscheinlich war sie vor Schreck über so viel Gemeinheit genauso starr wie sie, Simone, selbst!
    Â»Wie gesagt: Das Kind hat einen starken Überlebenswillen. Es hat die Pflanze nicht geschluckt, sondern nur ein bisschen daran gelutscht. Ach, was hab ich da mit meinem Herrgott gehadert …«
    Mit starrer Miene hatte Simone der harten Stimme ihrer Mutter gelauscht. Kalte Hände schienen sich um ihren Hals zu legen. Mit Mühe unterdrückte sie ein Würgen, das sie als Lauscherin verraten hätte.
    Mutter hatte aufgeschaut, und ihr Blick war genau auf die Tür gerichtet gewesen, neben der Simone stand.
    Â»Ich hab die Strafe dafür gekriegt, dass ich mich so gegen seinen Willen gewehrt habe. Damit ich nur ja nicht vergesse, dass ich gesündigt habe, hat der liebe Gott Simone zu einem derart hässlichen Mädchen werden lassen! Das ich nicht mal in die Wirtsstube schicken kann, weil’s unsere Gäste gruseln würde!« Ein Eimer Wasser wurde durch die Hintertür ausgeschüttet, und Simone konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Dann hörte sie Rosanna sagen:
    Â»Simone ist ein Gottesgeschenk wie alle Seelen dieser Welt. Wie Zacharias. Wie Katharina. Wie Anton.« Sie sprach leise, aber gleichzeitig fest und bestimmt. »Und wen es vor einem anderen Menschen gruselt, den gruselt’s nur vor der eigenen Schlechtigkeit!«
    Simones Mutter stieß einen abfälligen Schnaufer aus und antwortete, dass sie es den Leuten nicht verdenken könne, wenn sie annähmen, ihre Jüngste sei auch im Kopf nicht ganz richtig beieinander.
    Simone hatte gerade eine Träne von ihrem Handrücken abgewischt, als Rosannas wütende Stimme ertönte: »Ein hübsches Gesicht ist nicht das Einzige, was der liebe Gott einem Menschen mitgibt! Denken Sie doch nur daran, wie gut Simone mit Zahlen umgehen kann!«
    Ja, da hatte Mutter dumm geguckt! Widerrede war sie von einer Magd schließlich nicht gewohnt. Mit einem gequälten Seufzer hatte sie zugegeben: »Ja, sie ist nicht so dumm, wie sie aussieht, das hat sogar schon ihr Lehrer gesagt. Und beten tut sie, als ob sie den lieben Gott höchstpersönlich kennt! Wenn’s nach ihr ginge, müsste ich sie jeden Sonntag mit in die Kirche nehmen. Sogar zum Beichten würde sie gehen – dabei machen die meisten nach der Kommunion einen großen Bogen um den Beichtstuhl. Ja, ja, eine Kirchgängerin ist sie … Aber einer muss schließlich die Arbeit daheim machen.«
    Â»Ich könnte doch sonntags das Mittagessen vorbereiten«, bot Rosanna an. »Wenn Simone so viel am Kirchgang liegt …«
    Simone wusste, dass ihre Mutter den Kopf schüttelte, ohne dass sie hinsehen musste. »Barfuß in die Kirche? Das geht doch nicht! Und es gibt nicht schon wieder neue Schuhe. Wer weiß, wie groß die Füße des Kindes noch werden … Nein, nein, Simone ist zu Hause gut aufgehoben!« Nach diesen Worten hatte die Mutter das sauber geschrubbte Kleidungsstück in den Bottich mit klarem Wasser fallen lassen, als ob das Thema damit für sie endgültig erledigt wäre.
    Simone ließ die Hacke sinken.
    Ach Rosanna! So wie sie hatte sich noch niemand für sie eingesetzt.
    Befriedigt schaute sie auf den Haufen von ausgehackten Schösslingen, der nun doch immer größer wurde.

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