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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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geklärt. Ausgerechnet Simone!, ging es mir durch den Kopf. Andererseits war ich so müde, dass ich auch gut und gern auf dem Holzfußboden in der Wirtschaft geschlafen hätte! Das wäre bestimmt nicht viel unbequemer gewesen, denn Simones Kammer lag so tief unter dem Dachvorsprung, dass man nicht aufrecht darin stehen konnte. Ihr Strohsack war so lappig, als wäre er vor hundert Jahren das letzte Mal aufgefüllt worden. Die Einstreu bei den Hinterwälderkühen war jedenfalls reichlicher gewesen.
    Ich fragte Simone, ob sie lieber an der Wand oder vorn schlafen wollte, doch sie zuckte nur die Schultern. Also ließ ich ihr den Vortritt und wartete, bis sie sich hingelegt hatte. Ich erschrak, als ich die blau-grünlichen Schattierungen auf ihrem Rücken, ihren Armen und Beinen sah. So derb war nicht mal Vater gewesen …
    Ich war schon fast eingeschlafen, da spürte ich, wie sich der knochige Leib neben mir umwandte.
    Â»Und deine Eltern sind wirklich beide tot?«, flüsterte Simone. Es war das erste Mal, dass ich sie reden hörte.
    Ich murmelte ein Ja und kniff die Augen zu, weil ich mich nicht mehr unterhalten wollte.
    Â»Ich wünschte, meine Eltern wären auch tot!«, ertönte es daraufhin mit einer solchen Heftigkeit, dass ich im ersten Moment gar nicht wusste, was ich sagen sollte. Wahrscheinlich ist sie wütend, weil ihre Mutter ihr eine ungeliebte Arbeit aufgetragen hat,dachte ich mir dann und murmelte undeutlich, dass man sich nicht alles so zu Herzen nehmen sollte. »Und jetzt schlaf! Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!«, sagte ich anschließend und stopfte die muffige Decke, vor der ich mich ein wenig ekelte, in ihrem Rücken fest.
    Am nächsten Morgen – wir saßen alle bei Kartoffeln und Quark am Tisch – fragte Franziska Breuer mich, ob ich nicht bei ihnen Magd sein wolle. Freie Kost und Logis sowie ein eigenes Bett, sobald eins der Fremdenzimmer fertig war, bot sie mir an. Wenn ich recht fleißig wäre, würde ich’s gut bei ihnen haben, besser als in der Schweiz, fügte sie noch hinzu. Und da hab ich halt zugesagt …
    Simone grub ihre Ferse in den Boden, um an dem steilen Berghang Halt zu finden. Als sie nach der Hacke greifen wollte, die sie nur kurz aus der Hand gelegt hatte, um sich am Rücken zu kratzen, kullerte diese den Berg hinunter. Simone blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls ein Stück hinabzurutschen, um ihr Werkzeug wiederzubekommen. Mutlos starrte sie dann auf die Fläche, auf der sie in den letzten Stunden Baumschösslinge ausgerupft hatte. Im Gegensatz zu der Fläche, die sie noch vor sich hatte, war sie winzig!
    Seit dem frühen Morgen befand sie sich in den Reutbergen, die ihrer Familie gehörten. Warum überließ man diese unwirtlichen Steilhänge nicht einfach der Natur?, fragte sie sich nicht zum ersten Mal. Den Streifen, auf dem sie sich befand, hatten ihr Vater und ihre Brüder erst letztes Jahr von den niedrig wachsenden Bäumen befreit. Anschließend hatten sie darauf Grasbüschel und Reisig verteilt und verbrannt – anders waren solche Flächen nicht zu roden. Auf den derart mit Asche gedüngten Feldern waren der Roggen sowie der Hafer recht manierlich gewachsen. Dieses Jahr wollte ihr Vater auf derselben Fläche Kartoffeln anbauen. Doch vorher mussten alle Schösslinge, die aus den Wurzelstöcken nachgewachsen waren, erneut herausgehackt werden. Und das waren Tausende und Abertausende! SeitBeginn der Schulferien stand Simone jeden Morgen schon ganz früh hier oben, und wenn sie sich umschaute, hatte sie das Gefühl, noch keinen Deut weiter zu sein als am ersten Tag. Einen Schluchzer unterdrückend machte sie sich erneut an die Arbeit. Wenn sie nicht mindestens diesen Streifen bis heute Abend fertig bekam, hieß es wieder, sie habe nur geschlafen. Und dann …
    Katharina durfte heute ihrer Mutter im Garten beim Rüben- und Zwiebelsetzen helfen. Danach sollte sie Bibbiliskäs und Butter machen. Im Kühlhaus! Wo einem der Schweiß nicht den Rücken hinablief und wo man zwischendurch einen kühlen Schluck Milch trinken konnte.
    Warum musste immer nur sie in den Reutbergen arbeiten? Den ganzen März und April über war sie mit den Kühen und den Schweinen hier oben gewesen. Während das Vieh unter dem abtauenden Schnee nach ein paar Kräutern suchte, stand sie sich in der Kälte die

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