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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Anton mit seinem fetten Hintern den Berg hochkriecht …«
    Rosanna musste bei der Vorstellung kichern. Der ältere Breuer-Sohn war wirklich nicht sehr gelenkig. Zacharias hingegen …
    Simone deutete auf die fast senkrecht aufragende Felswand zu ihrer Linken. »Siehst du den schmalen Trampelpfad? An den kann ich mich noch gut erinnern, von hier aus kann es nicht mehr weit sein. Wenn man da hochgeht und auf der anderen Seite wieder hinunter, kommt man irgendwann in die Schweiz, hat Mutter mir mal erzählt. Ich glaube, die nächste größere Stadt unten im Tal ist Basel. Und irgendwo auf diesem Weg gibtes wohl auch einen Abzweig in Richtung Frankreich«, fügte sie in einem Tonfall hinzu, als ahne sie, dass sie die anderen Länder wahrscheinlich nie im Leben zu Gesicht bekommen würde. »Das ist kein offizieller Weg, sagt Mutter, sondern einer, den nur … gewisse Leute nehmen.«
    Rosanna wollte gerade fragen, wen sie damit meinte, als ihr eine Woge beerensüßen Duftes in die Nase stieg.
    Simone blieb abrupt stehen. »Wir sind da!«
    Â»Ach du meine Güte!«, entfuhr es Rosanna. Der Duft wie nach frisch gekochter Marmelade umschmeichelte sie. »Das ist ja …« Sprachlos schluckte sie die Spucke hinunter, die ihr im Mund zusammengelaufen war.
    Vor ihnen breitete sich ein scheinbar unendlicher rot-blauer Teppich aus. Die Sonne fiel durch die Wipfel der vereinzelt stehenden Bäume und malte so ein Muster aus rosafarbenen und weinroten Streifen auf den Boden.
    Abertausende von Blaubeeren hingen dicht an dicht, pralle, saftige Beeren, die nur darauf warteten, dass sich eine Hand nach ihnen ausstreckte.
    Rosanna ging in die Hocke und stopfte sich eine Portion in den Mund. Genießerisch zerdrückte sie mit ihrer Zunge die dünne Haut der Beeren. Sofort rann der zuckersüße Saft ihre Kehle hinab, sodass sie sich verschluckte. Das würde eine köstliche Marmelade geben! Und einen herrlichen Beerenwein! Und eine Menge Saft!
    Â»So viele waren’s in den letzten Jahren nicht. Wir werden in Windeseile fertig sein! Hm, und dann können wir uns einen richtig faulen Tag machen!«, sagte Simone mit vollem Mund.
    Rosanna hievte zwei Milchkannen vom Karren. Eine davon gab sie Simone, die andere trug sie selbst. Den Schweiß von der Stirn wischend, sagte sie: »Aber erst einmal müssen wir anfangen, liebes Mädchen!«
    Sie begannen im Abstand von ein paar Metern zu pflücken. Eine Zeit lang wanderte jede zweite Hand voll Beeren in ihre Münder, doch irgendwann waren die Bäuche derart gefüllt, dasssie gluckerten. Nachdem die Mädchen eine Weile schweigend gearbeitet hatten, kicherte Simone plötzlich mit rot verschmiertem Mund.
    Â»Hast du eigentlich mitbekommen, dass sich Kathi gestern bei der Abrechnung vertan hat?«
    Rosanna schüttelte den Kopf. »Wie sollte ich? Ich hab in der Wirtsstube genauso wenig zu tun wie du.« Dabei hatte sie oftmals Lust, sich auch eine weiße Schürze umzubinden und die dampfenden Teller mit Essen zu den Tischen zu bringen. Aber ihre Aufgabe war es, Franziska in der Küche beim Kochen und Abwaschen zu helfen.
    Simone schnaubte. »Kathi sollte den Gästen nicht ständig schöne Augen machen, sondern zur Abwechslung mal nachdenken! Letzte Nacht haben ganze drei Mark in der Kasse gefehlt! Und weißt du, woran es gelegen hat? Sie hat sich bei der Strichliste für die Biere am Stammtisch vertan! Am liebsten hätte Kathi den Fehler ja wie immer mir in die Schuhe geschoben, aber diesmal ist ihr partout nicht eingefallen, wie sie es anstellen soll. Ha!«
    Rosanna hob missbilligend die Augenbrauen. Ihr war stets unwohl, wenn Simone so abfällig von ihrer Familie redete – auch wenn sie Simones Bitterkeit in gewisser Weise verständlich fand. Die anderen waren schließlich nicht gerade freundlich zu ihr.
    Â»Dass Kathi keine Rechenkünstlerin ist, haben deine Eltern doch längst erkannt. Deshalb hat deine Mutter ja auch dich mit den monatlichen Abrechnungen betraut!« Rosanna wusste, dass Simone insgeheim sehr stolz darauf war, diese Aufgabe bekommen zu haben.
    Â»Mutter lässt mich die Abrechnungen doch nur machen, weil sie selbst das Zahlenwerk scheut wie der Teufel das Weihwasser und weil ich dabei niemandem unter die Augen komme«, erwiderte Simone giftig. In der feuchtwarmen Luft kräuselten sich ihre Haare noch heftiger als sonst.

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