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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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unglücklich mit den Schultern. »Ich kann nichts dafür, glaube mir! Ich könne doch an Kathis Stelle gehen, hab ich zu Mutter gesagt, aber …«
    An der Art, wie sich ihr Körper bei den letzten Worten versteifte, konnte Rosanna ablesen, wie Franziska auf Simones Angebot reagiert hatte: mit einer Backpfeife oder einer geringschätzigen Bemerkung.
    Schon vor Tagen war der Wirtin irgendeine Laus über dieLeber gelaufen. Gestern hatte Rosanna sie im Lager zusammengekrümmt über einem Mehlsack angetroffen. Der Rücken!, war ihr erster Gedanke gewesen – Franziska klagte öfter über Schmerzen im Kreuz –, doch als sie der Wirtin aufhelfen wollte, hatte sie gesehen, dass diese weinte. Unwillig hatte sie Rosanna davongescheucht, war mit verkniffenen Lippen wieder ins Haus gegangen und hatte so getan, als sei nichts gewesen. Beim Abendessen tunkte sie ihr Brot derart energisch in die Milch, dass es nur so spritzte. Als ihre Schwiegermutter etwas dazu sagen wollte, fuhr sie ihr so barsch über den Mund, dass die alte Frau aufstand und den Raum verließ. Auch Gustav hatte den Mund schon zu einem Kommentar geöffnet, überlegte es sich dann aber doch anders. Die anderen folgten Gustavs Beispiel und widmeten sich intensiv dem Essen. Sogar Katharina, die sonst immer etwas zu erzählen wusste, hatte sich unter den wütenden Blicken ihrer Mutter regelrecht geduckt.
    Rosanna seufzte. Wenn Franziska immer noch solch eine Laune hatte, war Simone ihr als Sündenbock bestimmt wieder einmal gerade recht gekommen!
    Â»Na ja, wahrscheinlich kann sie mich am ehesten entbehren!« Rosanna zwang sich zu einem unbeschwerten Ton. »Wenn deine Mutter es wünscht, dann wird es schon seine Richtigkeit haben!«
    Der Winter war in diesem Jahr über Nacht gekommen und hatte sich wie ein ungebetener Gast breit gemacht. Schon seit einiger Zeit gab es nachts Frost, und in der Nacht von Samstag auf Sonntag hatte der Himmel dann seine Schleusen geöffnet und dicke Flocken Schnee zur Erde fallen lassen. Dass es geschneit hatte, bemerkten die Leute erst, als sie ihre Häuser zum sonntäglichen Kirchgang verlassen wollten – das fahle Licht, das durch die Fenster in die Häuser fiel, hatten sie auf den ebenfalls seit Tagen anhaltenden Nebel geschoben. So mancher Rombacher war an jenem Tag zu spät oder gar nicht in die Kirchegekommen, weil es erst galt, den Hauseingang und das zum Haus gehörende Stück Straße freizuschaufeln.
    Doch die Verantwortung der Rombacher hörte am letzten Haus des Dorfes auf, danach musste jeder selbst sehen, wie er vorankam. Zu dieser Jahreszeit waren ohnehin nicht viele Menschen zu Fuß unterwegs – nur ein älterer Herr mit gezwirbeltem Bart und einer schwarzen Aktentasche kam Rosanna entgegen, ehe sie die Abzweigung hinauf zum Moritzhof einschlug. Als seine dunkle Gestalt vor ihr auftauchte, begann ihr Herz wild zu klopfen. Doch er nickte ihr lediglich kurz zu und stapfte dann mit gesenktem Kopf in einer Spur, die ein Fuhrwerk hinterlassen hatte, weiter in Richtung Rombach. Dumme Kuh!, schalt sich Rosanna. Nicht jeder Mann wollte sich schließlich an einer unschuldigen Frau vergehen.
    Einmal musste Rosanna auf dem steilen Weg Halt machen, nicht etwa, weil ihr der Rucksack mit den Lebensmitteln für den alten Moritz zu schwer wurde, sondern weil ihre Waden wie Feuer brannten. Lange konnte sie sich jedoch nicht ausruhen, denn schnell kroch die Kälte durch die dünnen Sohlen der Schuhe, die Katharina ihr auf Anweisung ihrer Mutter hin höchst ungern geliehen hatte.
    Wenn sie doch nur schon wieder auf dem Rückweg wäre! Sogar Zacharias und Anton hatten sie mit einem mitleidigen Blick bedacht, als sie sich verabschiedete.
    Â»Du nennst deinen Namen und packst das Essen aus!«, hatte die Wirtin sie angewiesen. »Dann soll er dir Putzzeug geben und dir sagen, wo es etwas zu tun gibt. Am schlimmsten sieht’s immer in der Küche aus, also kümmere dich zuerst darum. Und sieh zu, dass du bis drei Uhr heute Nachmittag fertig bist! Uhren hängen dort oben allenthalben herum, so kannst du die Zeit nicht aus dem Auge verlieren. Und wenn er ein wenig ruppig sein sollte …«, Franziska hatte tatsächlich verlegen die Schultern gezuckt, »… dann scherst du dich einfach nicht darum! Mein Vater ist nicht mehr an Gesellschaft gewöhnt.« Rosannas Sorge, sich im Nebel zu verirren, hatte

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