Antonias Wille
Küche. »Warte hier auf mich!« Und schon war er wieder weg.
Rosanna atmete die Luft aus, die sie unwillkürlich angehalten hatte, und lieà ihren Blick vorsichtig durch den Raum wandern.
Die Küche war auf ähnliche Weise eingerichtet wie die im »Fuchsen«, nur war alles viel schmutziger: ein groÃer Herd, auf dem mehrere benutzte Töpfe standen, daneben ein Kachelofen mit Bank und Esstisch, alles übersät mit Büchern, Holzschnitzarbeiten, Werkzeugen und eisernen Teilen, von denen Rosanna nicht wusste, wozu man sie benutzte, ein Spülstein, blutverschmiert. Aus einem Eimer daneben lugte ein Stück Fell hervor â vielleicht die Ãberreste eines geschlachteten Hasen. Du meineGüte â gab es auch etwas, was der alte Mann nicht in der Küche erledigte?
Im nächsten Moment erschütterte ein lautes Rumpeln das Haus, und es wurde taghell im Raum. Der Strom!, schoss es Rosanna durch den Kopf, sobald sie sich von ihrem Schreck erholt hatte.
Karl Moritz kam zurück, hielt es jedoch nicht für nötig, ein Wort darüber zu verlieren. Er riss einen Schrank auf. »Hier ist Putzzeug. Was es zu tun gibt, siehst du ja wohl selbst. Hell genug ist es jetzt schlieÃlich.«
»Kathi hat uns schon von Ihrem ⦠Strom erzählt und dass er so laut ist. Aber dass er alles so wunderbar hell macht, das hat sie nicht gesagt.« Verwundert blinzelte Rosanna in die Lampe über dem Tisch.
»Die Kathi â¦Â« Der Alte winkte ab. In seinen Augen sah Rosanna jedoch kurz den Stolz über seine neueste Errungenschaft aufblitzen.
Rosanna beschloss, mit der Reinigung des Spülsteins zu beginnen. Derart ungepflegtes Putzzeug würde die Wirtin im »Fuchsen« nie und nimmer hinnehmen, schoss es ihr durch den Kopf, als sie sah, wie abgewetzt und schmutzig die Borsten der Bürste waren, die sie aus dem Schrank genommen hatte.
Moritz lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand und schaute ihr zu. Plötzlich schien er es gar nicht mehr so eilig zu haben, zu seiner »Arbeit« zurückzukommen.
»Eine Köhlerin bist du, hab ich gehört ⦠Wofür habt ihr denn die Bäume verbrannt?«
»Für die beiden Glashütten in unserer Nähe. Die lieÃen die Holzkohle immer mit Fuhrwerken abholen«, antwortete Rosanna, ohne von ihrer Arbeit aufzuschauen.
»Für Glas also. Dann sag mir doch mal: Kann man aus Glas ein Haus bauen? Oder etwa ein Dach damit decken?« Er knurrte verächtlich. Als Rosanna nicht antwortete, fuhr er fort: »Kann man in einem Bett aus Glas liegen? Oder sich einen Tisch daraus schreinern? Kann man Bücher auf Glas schreiben? Und wenndu einmal stirbst, wirst du dann in einem Sarg aus Glas liegen?« Karl Moritz verstummte und lieà Rosanna im nächsten Moment allein zurück.
Verwirrt schaute sie ihm nach. Ein Sarg aus Glas ⦠Was für ein wunderlicher alter Mann!
Kurze Zeit später war Rosanna der Verzweiflung nahe: Wohin sie auch schaute, überall starrte ihr der Dreck entgegen: Unter der Eckbank bauschte sich haufenweise der Staub â »Faulenzerwolle« nannte die Wirtin solche Flusen. Rosanna brauchte zwei Eimer Wasser, um den Boden vom gröbsten Dreck zu befreien. Mit einem frischen Eimer Wasser wollte sie danach den Küchenschrank auswischen. Prompt krabbelte ihr ein ganzes Heer von Mehlkäfern entgegen. Die Ecken waren mit Larven verklebt, der Kot der Tiere lag wie grobkörniger Pfeffer überall herum. Angewidert schlug Rosanna den Schrank wieder zu â sie würde ihm später mit einem kräftigen Salmiakwasser zu Leibe rücken müssen.
Alle Wischlappen, die sie fand, waren hart vor Schmutz, als ob sie zuletzt zum Schuheputzen verwendet worden wären. Sie schüttelte den Kopf. Kein Wunder, dass es Kathi vor den Besuchen hier oben grauste!
Gegen Mittag war sie endlich mit der Küche fertig und wagte einen Blick in die umliegenden Zimmer. Weder in der guten Stube noch in der Vorratskammer, noch in den anderen Räumen des Erdgeschosses sah es viel besser aus. Das gesamte Haus war verwahrlost. Dass ein einzelner Mann innerhalb einer Woche ein solches Durcheinander anrichten konnte, glaubte Rosanna inzwischen nicht mehr. Vielmehr vermutete sie, dass sich Kathi bei ihren wöchentlichen Besuchen hier oben nicht gerade überarbeitete â¦
Da unter dem Herd bereits ein Feuer brannte, beschloss Rosanna, einen
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