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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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konnte …
    Rosanna war verliebt – und gleichzeitig war ihr seltsam zumute, denn plötzlich hatte sich zwischen ihr und Zacharias alles verändert.
    Nach jenem Abend in der Wirtsstube versuchte er nicht mehr, sie zu küssen – er war zu sehr damit beschäftigt, sich an seine neue Rolle als Wirt zu gewöhnen. Doch wann immer er Rosanna einen Blick zuwarf, fühlte sie sich wie vom Blitz getroffen.
    Plötzlich hatte jedes Wort, jede Bewegung eine neue Bedeutung. Wenn Zacharias in der Nähe war, verstummte sie. Dann wieder war sie schusselig wie nie zuvor, einmal fiel ihr ein Teller hinunter, ein anderes Mal ein Topf mit Erdbeermarmelade.
    Sie ging Zacharias weiterhin aus dem Weg. Wenn sie sah, dass er in die Wurstküche lief, wartete sie einen Moment, bevor sie sich auf den Weg ins Waschhaus machte. Wenn er im Lager die Waren umräumte, zögerte sie das Milchholen hinaus und nahm sogar für ihre Trödelei von Franziska einen Rüffel in Kauf. Doch insgeheim malte sie sich immer wieder aus, wie es wohl wäre, wenn er sie einmal in den Arm nehmen würde …
    Rosanna atmete tief den warmen, süßen Frühlingswind ein, der alle paar Meter einen anderen Duft herbeiwehte. Links und rechts des steinigen Weges, der hinauf zum Moritzhof führte, blühten die Himbeersträucher und der Kreuzdorn, in Kniehöhe glühte der widerspenstige Ginster in goldgelben Tönen, und schüchtern lugten Maiglöckchen zwischen letztjährigen Grasbüscheln heraus. Noch ein paar Wochen zuvor waren die Wege durch den schmelzenden Schnee so schräg gewesen, dass das Laufen mindestens so beschwerlich war wie im tiefsten Winter, doch inzwischen war selbst in den schattigsten Ecken der letzte Rest Schnee verschwunden. Eine orangefarbene Sonne lachte über die vollbrachte Arbeit. Auf den Wiesen links und rechts des Weges flossen kleine Rinnsale zu Tal, die davon kündeten, dass die Erde satt und schwer war und sich nur langsam von der Last des Schnees erholte. Doch oberhalb des noch kalten, dunklenErdreichs war der Winter vergessen: Vögel wetteiferten um die klangvollsten Melodien, Bienen brummten durch die lauen Lüfte – wahrscheinlich wagten auch Karl Moritz’ Bienen einen ersten Ausflug. Wie hatte er in der Woche zuvor gesagt? »Im Mai macht der liebe Gott für uns Menschen noch einmal die Tür zum Paradies auf!« Rosanna hatte noch nie einen so treffenden Vergleich für den Wonnemonat gehört.
    Je höher sie kam, desto öfter wehten vom Wald her, wo die Kiefern und Tannen ihre prall gefüllten Staubbeutel auslüfteten, dicke gelbe Wolken über Rosannas Kopf hinweg.
    Auf der letzten Anhöhe angelangt, blieb Rosanna für einen Moment stehen und schaute hinab ins Tal. Von ferne hörte sie das Muhen der Kühe und das Blöken der Schafe. Sie gab sich Mühe, unten im Dorf das Dach des »Fuchsen« zu entdecken. Wenn das Wetter besonders klar war, konnte sie sogar die kleineren Dächer des Backhauses und der Wurstküche ausmachen, wo Zacharias und Anton bei der Arbeit waren. Zacharias … Wie immer, wenn sie an ihn dachte, schlug ihr Herz ein paar Takte lang schneller. Rosanna tastete nach dem blauen Band, mit dem sie ihren Zopf zugebunden hatte. Am ersten Mai war Zacharias bis ganz hoch an den Wipfel des Maibaumes geklettert, vorbei an all den hölzernen Zunftzeichen, um ihr eines der im Wind flatternden Bänder abzuschneiden.
    Â»Für die schönsten Haare, die ein Mädchen haben kann«, hatte er ihr zugeflüstert. Simone und Margret hatten ganz neidisch geguckt.
    Vielleicht dachte er in diesem Moment auch an sie? Erst gestern hatte er gesagt, dass seine Gedanken ständig sehnsüchtig zu ihr wanderten, selbst wenn sie sich im Nebenraum aufhielt. Und dass er deshalb am liebsten alle Wände im Haus abreißen wolle. Der alberne Kerl! Die Landschaft vor Rosannas Augen verschwamm, und stattdessen tauchten Zacharias’ braune Augen auf, die Furche in seinem Kinn, seine Locken, die immer widerspenstiger wurden, je mehr er schwitzte …
    Mit einem Aufseufzen wandte sie sich wieder in RichtungMoritzhof. Und obwohl ihre Gedanken noch unten im Dorf weilten, war sie wie jeden Dienstag überwältigt von dem Anblick, der sich ihr nun bot.
    Auch der Berghof schien aus einem langen Winterschlaf erwacht zu sein. Seine vielen Fenster lächelten Rosanna geradezu entgegen, das tief

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