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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gezogene, mit unzähligen Schindeln gedeckte Dach erinnerte sie an die Arche Noah, die ihren Bewohnern selbst im fürchterlichsten Sturm Sicherheit und Geborgenheit bot. Aber es war nicht die natürliche Schönheit des Hauses allein, die Rosanna magisch anzog. Es lag auch nicht an der Tatsache, dass man hier oben dem Himmel ein Stück näher war als unten im Tal. Das Besondere am Moritzhof bestand darin, dass er unverrückbar in die Landschaft eingebettet war. Links hinter dem Hof erstreckten sich fast endlos erscheinende Obstbaumwiesen, auf denen laut Karl Moritz besonders widerstandsfähige Birn- und Kirschbäume jährlich eine reiche Ernte lieferten. Rosanna konnte es kaum erwarten, bis es in diesem Jahr so weit war. Sie wollte für Karl Moritz nicht nur Marmelade kochen, sondern auch Früchte einmachen – ein bisschen Abwechslung auf dem Speiseplan würde dem Raubein sicher gefallen. Bestimmt gab Franziska ihr, wenn es so weit war, ein paar Einmachgläser mit. Rosanna schmunzelte. Erst vor ein paar Tagen hatte sie zufällig gehört, dass die Wirtin zu Gustav, der nun seine Tage auf dem Sofa in der guten Stube verbrachte, sagte, sie wäre unendlich froh, dass Rosanna so gut mit dem Vater zurechtkam. »Eine Sorge weniger!«, hatte sie noch hinzugefügt.
    Rechts vom Hof befand sich ein kleiner Gemüsegarten, dem man trotz seiner Verwahrlosung ansehen konnte, dass einstmals viel Zeit auf seine Pflege verwendet worden war. Rosanna hatte sich fest vorgenommen, sich seiner anzunehmen. Rings um den Gemüsegarten hatte Moritz gegen den Wildverbiss einen Zaun gezogen, an dessen hinterer Seite ein Gartentor angebracht war. Durch jenes konnte man auf einem dick mit Nadeln und Laub gepolsterten Weg direkt in den Wald gelangen.
    Der blassblaue Himmel, im Hintergrund der schwarze Wald,davor die riesige freie Fläche mit dem Heidekraut, das jetzt im Frühjahr blassrosa war – und mittendrin saß der Berghof wie ein Juwel in einer wertvollen Fassung.
    An der mächtigen Holztür angekommen, konnte Rosanna das Rauschen des Wasserfalls hören, der direkt hinter dem Haus von einem eiförmig in den Himmel ragenden Felsen in eine schmale Schlucht im Wald hinabstürzte. Mit dieser Wasserkraft trieb Karl Moritz die Turbine an. Dass sie dieses Rauschen an ihrem ersten Tag bei Karl nicht wahrgenommen hatte!
    Als Letztes holte Rosanna eine Dose aus ihrem Rucksack und stellte sie neben die anderen Lebensmittel auf den Tisch. »Ich hab Ihnen noch etwas mitgebracht. Kräutersalz! Das habe ich nach einem Rezept meiner Mutter selbst gemacht«, erklärte Rosanna. »Wenn man vier Teile getrocknete Kräuter mit einem Teil Salz mischt, kann man damit Speisen viel billiger würzen als mit Salz allein. Die Wirtin ist ganz begeistert davon. Und zu Wild und Kaninchen passt es besonders gut!«
    Â»Hoffentlich weiß meine Tochter, was sie an dir hat«, brummte Moritz, während er seinen Zeigefinger anleckte und ihn dann in die Dose steckte, um das Kräutersalz zu kosten. »Nicht schlecht«, lautete sein Kommentar.
    Rosanna lachte. »Nicht geschimpft ist auch gelobt! Jetzt weiß ich, von wem Ihre Tochter das hat!«
    Moritz’ Erwiderung ging in einem schrecklich klingenden Husten unter. Die Arme in die Hüfte gestemmt, beobachtete Rosanna, wie sich sein hagerer Oberkörper zusammenkrümmte. Dabei presste er eine Hand auf seine Brust, als wolle er sein Herz daran hindern herauszuspringen. Dass sein Husten über den Winter hinaus anhielt, war laut Franziska äußerst ungewöhnlich. Als der Anfall vorüber war und Moritz sich mit einem Tuch den Mund abwischte, sagte Rosanna bemüht sorglos:
    Â»Ich hätte Ihnen vielleicht eher einen Hustentee machen sollen. Wenn die Zeit langt, schaue ich später mal nach, was im Wald an passenden Kräutern wächst.«
    Moritz hasste es, wenn man zu viel Aufhebens um ihn machte.
    Â»Was kommt, das geht auch wieder.« Mit diesen Worten winkte er auch diesmal sofort ab. »Erzähl mir lieber, was es Neues gibt!« Seine von Fältchen umgebenen Augen forderten Rosanna kampflustig zu einem Einwand heraus, und Moritz begann sich gemächlich eine Pfeife zu stopfen. Rosanna seufzte missbilligend. Doch dann tat sie ihm den Gefallen und erzählte.
    Â»Vorgestern gab es einen großen Tanz in den Mai – das war wirklich ein schönes Fest! Da haben Sie etwas verpasst. Auf dem

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