Antonias Wille
wollte sie Moritz gegenüber nicht zugeben.
»Ich kenne den Mann, das ist der Alois«, bemerkte Moritz, schon nicht mehr ganz so griesgrämig. »Der Kauz ist bereits vonDorf zu Dorf gereist und hat den Leuten Kleider genäht, als meine Martha noch lebte â¦Â«
Rosanna schaute lächelnd auf. Wie immer, wenn Karl Moritz von seiner verstorbenen Frau sprach, wurde seine Stimme ganz weich.
Sie sagte: »Der Mann versteht sein Handwerk! Einer nach dem anderen musste sich vor ihn hinstellen. Dann nahm er Maà und notierte sich alles auf einem kleinen Zettel. Als er damit fertig war, musste ich den Küchentisch abräumen â ich war gerade dabei, Rotkohl zu reiben. Den ganzen Tag lang hat er den Tisch in Beschlag genommen, wir mussten sogar unser Mittagessen im Gastraum einnehmen. Der Boden war übersät mit Fusseln und Stofffetzen, und überall war es staubig von der Kreide, mit der er seine seltsamen Muster auf die Stoffe gekritzelt hatte. Aber â« Rosanna machte eine theatralische Pause. »Am Abend war der gute Mann mit allen Hosen, Kitteln und Schürzen fertig. Ich wollte meinen Augen nicht trauen!«
»Jaja, das ist schon ein flinker Bursche. Und erzählen kann er auch sehr gut. Ich erinnere mich noch, dass er einmal â¦Â« Karl Moritz unterbrach sich. »Aber sag mal: Warum hast du denn dein neues Kleid nicht an? Ist es zu fein für mich und meinen Hof?« Sein Spott war ohne jegliche Schärfe.
Statt zu antworten, schüttelte Rosanna nur unbestimmt den Kopf und schaute dann aus dem Fenster.
»Nun sag nur nicht â¦Â« Moritz schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, sodass die Dose mit dem Kräutersalz einen Hüpfer machte.
Er stand auf, durchquerte einmal zornig die Küche und setzte sich dann wieder hin.
»Da lassen sie dich Tag und Nacht schuften â¦Â« Der Rest des Satzes ging in einem weiteren Hustenanfall unter.
»Jetzt regen Sie sich doch bitte nicht auf! Simone ist dieses Mal auch leer ausgegangen, aber der Schnider kommt im Herbst schon wieder!« Trotzdem spürte Rosanna einen kleinenStich im Herzen. Wie gern würde sie nur ein Mal etwas anderes tragen als die alten, durchgewetzten Lumpen, die Franziska ihr zu Beginn ihrer Anstellung gegeben hatte! Dann würde sie Zacharias vielleicht glauben können, wenn er sagte, dass er sie schön fand â¦
Es dauerte einen Moment, bis sie merkte, dass Moritz sie streng anschaute.
»Wo bist du denn jetzt schon wieder mit deinen Gedanken? Kein Wunder, dass die Frau Wirtin eine wie dich ausbeutet bis auf den letzten Blutstropfen!«, schalt er sie.
Nun musste Rosanna lachen. »So wie Sie das sagen, ist es ein Wunder, dass ich mir nicht selbst Leid tue.« Sie klatschte in die Hände. »Jetzt ist aber genug getratscht. Ich möchte heute noch alle Fenster putzen. Vor lauter gelbem Blütenstaub kann man ja kaum noch nach drauÃen gucken!« Sie wollte gerade mit dem Putzzeug die Küche verlassen, als Moritz ihr den Weg versperrte.
»Warte mal, ich habe da eine Idee â¦Â« Er forderte Rosanna mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Schwerfällig stapfte er die Treppe hoch.
Hatte er womöglich ein Gerät konstruiert, mit dem man Fenster putzen konnte? Was technische Neuerungen anging, traute Rosanna ihm inzwischen jede Verrücktheit zu.
Moritz lief den langen Flur entlang, von dem links und rechts Türen abgingen. Hinter jeder Tür wartet Arbeit, dachte Rosanna ungeduldig. SchlieÃlich blieb er vor einem schweren, überreich verzierten Schrank stehen und öffnete ihn. »Hier sind wir richtig!«
Auf vier Brettern stapelten sich dicke und dünne Stoffballen: klein geblümte Baumwollstoffe, grobes, naturfarbenes Leinen, etwas, das aussah wie Seide und in sattem Grün leuchtete. Ein Ballen war in zarten Blautönen fein gestreift. Verwundert schaute Rosanna den alten Mann an. Er lächelte.
»Meine Frau konnte nie Nein sagen, wenn ihr ein fahrender Händler ein schönes Stück Stoff anbot. Und sie war geschicktim Nähen â der Alois ist jedenfalls nie zu uns gekommen. Die Vorhänge, die Bettwäsche und unsere Kleidungsstücke â das hat sie alles selbst genäht. Na ja, die Stoffe sind inzwischen ein wenig verblichen, aber ich mochte sie nicht weggeben. Die Nähmaschine steht übrigens noch da hinten in der Kammer.«
Moritz legte Rosanna beide
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