Antrag nach Mitternacht
Sorge.“
„Mylady, was ist geschehen? Bess sah Sie hier draußen liegen und hat vor Schreck so laut gekreischt, dass sie selbst Tote hätte aufwecken können. Sie dachte, jemand hätte Sie niedergeschlagen.“
„Das kann man so sagen“, erwiderte Francesca und musste schlucken. „Aber nicht auf die Art, die Ihnen vorschwebt.“ Sie kniete sich hin, und Maisie nahm ihren Arm, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
„Fenton glaubte, den Duke of Rochford hier draußen bei Ihnen gesehen zu haben. Er würde doch nicht … Er hat Ihnen das nicht angetan, oder?“
„Nein, nein! Er würde mich niemals schlagen. Nein, das hier habe ich mir selbst zugefügt.“ Sie versuchte zu lächeln, wusste aber, dass ihr das nicht richtig gelingen wollte. „Ich denke, ich gehe nach oben in mein Zimmer. Und glauben Sie mir, es geht mir gut. Und sagen Sie bitte den anderen, sie sollen sich keine Sorgen machen. Ich bin nur … müde.“
„Dieser Schurke ist nicht wieder aufgetaucht, oder doch?“, wollte Maisie wissen, als sie sie zur Hintertür begleitete.
„Perkins?“ Francesca schüttelte den Kopf. „Nein, der kommt nicht mehr zurück. Ich habe nur … eine Sache sehr unglücklich angefasst. Ich fürchte …“ Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich fürchte, der Duke wird nicht mehr zu Besuch kommen.“
„Was?“ Maisie riss erschrocken die Augen auf. „Aber Mylady …“
„Bitte. Ich kann jetzt nicht darüber reden. Später …“
Sie betraten das Haus und nahmen die hintere Treppe. Zurück in ihrem Zimmer, half Maisie ihr aus dem Kleid und in ihren Morgenmantel. Obwohl der angenehm warm war, zitterte Francesca nach wie vor am ganzen Leib, weshalb ihr Dienstmädchen ein Feuer im Kamin machte.
Später brachte sie ihr ein Tablett mit Tee und ihrem Abendessen. Francesca konnte keinen Bissen herunterbringen, doch den heißen Tee trank sie mit großer Dankbarkeit. Lange Zeit saß sie da und starrte wie betäubt ins Feuer, während sich ihre Gedanken irgendwo im Nichts verloren.
Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie zu Rochford eilen und ihn anflehen sollte, damit er ihr zuhörte. Sie würde ihm alles erklären, und dann würde er verstehen, warum sie ihn abgewiesen hatte. Er würde einsehen, wie recht sie doch hatte. Wenn er nur einmal in Ruhe nachdachte, musste ihm klar werden, dass sie nicht heiraten konnten.
Dann würde sie ihm auch erzählen, was sie für ihn empfand, damit er einsah, dass es nicht ein Zuwenig an Liebe zu ihm war, das sie diesen Weg hatte wählen lassen. Wie konnte er so etwas überhaupt annehmen nach allem, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte?
Aber es hatte überhaupt keinen Sinn, zu ihm zu gehen, weil er sie gar nicht empfangen würde. Er war so wütend gewesen, so abweisend. Wenn sie nur an seine verächtliche Art dachte, mit der er ihr den Ring hingeworfen hatte, kamen ihr schon wieder die Tränen.
Sie beschloss, ihm einen Brief zu schreiben. Leise schlich sie nach unten zu ihrem Schreibtisch, damit keiner ihrer Diener auf sie aufmerksam wurde. Ein Blatt nach dem anderen landete zerknüllt auf dem Boden, da sie immer wieder einen neuen Weg versuchte, um ihm alles zu erklären. Ganz gleich, was sie schrieb, nichts davon drückte angemessen aus, welches Entsetzen und Bedauern sie beim Anblick seines Gesichtsausdrucks empfunden hatte. Nichts konnte ihn noch dazu bringen, ihr zuzuhören.
Er hasste sie. Ihre plumpe Ablehnung hatte ihn so tief verletzt, dass er ihr niemals verzeihen würde.
Francesca verfluchte ihre eigene Dummheit. Warum war sie nicht besser darauf vorbereitet gewesen? Sie hätte wissen müssen, dass Sinclair mit seinem Ehrenkodex sich verpflichtet sehen würde, ihr die Heirat anzubieten, nachdem er mit ihr geschlafen hatte. Ganz egal, wie unvernünftig das auch sein mochte, sein oberstes Ziel war es, ihr die Möglichkeit zu geben, ihre gesellschaftliche Achtung zu bewahren.
Hätte sie darüber nachgedacht, anstatt mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen den Tag zu verbringen, dann wäre ihr klargeworden, dass sie auf einen Heiratsantrag hätte gefasst sein müssen. Sie hätte sich ihre Gründe überlegen und sie ihm in aller Ruhe vortragen können. Mit ein wenig Vorausschau hätte sie dieses Desaster vermeiden können.
Aber vielleicht war es dumm von ihr, so etwas zu vermuten. Womöglich hätte sich nichts vermeiden lassen. Tatsache war, dass sie ein willensstarker und spontaner Mensch war. Sie hatte ihn gewollt, und sie wollte diese intime Lust mit ihm. Sie war davon
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