Anubis 02 - Horus
Masse vor sich her und rammte sie mit solcher Gewalt gegen die Wand, dass ihr schwarz vor Augen wurde. Dennoch rammte sie ihm die versteiften Finger der rechten Hand in die Rippen; dicht unterhalb des Herzens und mit solcher Gewalt, dass sie spüren konnte, wie ihm abermals die Luft wegblieb und fast alle Kraft aus seinem Körper wich.
Leider nur fast. Und bei einem Koloss wie ihm reichte selbst der verbliebene Rest aus, um sie nicht nur weiter gegen die Wand zu pressen, sondern auch beide Hände um ihren Hals zu legen und erbarmungslos zuzudrücken. Wahrscheinlich sogar, um ihr das Genick zu brechen.
Jetzt hatte sie keine andere Wahl mehr.
Sie schloss die Augen, entspannte sich, soweit es in ihrer unglückseligen Lage überhaupt möglich war, und griff nach der unsichtbaren Flamme, die in seinem Inneren brannte.
Es war schwer, ungeheuer schwer, nicht sofort alles zu nehmen. Ihre Gier erwachte zur lodernden Wut einer explodierenden Sonne. Alles in ihr schrie danach, das Leben mit einem einzigen, brutalen Ruck aus ihm herauszureißen und nichts als eine leere, sterbende Hülle zurückzulassen. Aber das durfte sie nicht. Nicht bei ihm und nicht, so lange Maistowe und Maude und das Mädchen dabei waren, denn das hätte bedeutet, dass sie auch sie töten musste.
Irgendwie gelang es ihr, das Ungeheuer noch einmal zu bändigen, auch wenn es sie so unvorstellbare Überwindung kostete, dass sie fast zu körperlicher Qual wurde. Die Bestie in ihr heulte vor Wut und Enttäuschung noch lauter auf, aber statt sein Leben einfach im Bruchteil eines Augenblickes aus ihm herauszureißen, nahm sie nur gerade so viel, um ihn weiter zu schwächen. Sein Würgegriff lockerte sich, nicht weit genug, um sie wieder atmen zu lassen, aber genug, um ihr Spielraum für einen harten Kopfstoß gegen sein Gesicht zu gewähren. Ein helles, deutlich hörbares Knacken erscholl, als sein Nasenbein brach. Bens Blick verschleierte sich vor Schmerz, und er stöhnte leise, während hellrotes Blut aus seiner Nase schoss und sein Gesicht besudelte. Er ließ immer noch nicht los, und der Blutgeruch war beinahe mehr, als sie ertragen konnte.
Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung sprengte sie seinen Griff, stieß ihm die flachen Hände vor die Brust und trat ihm wuchtig unter das Kinn; hart genug, um ihn quer durch den Raum an die gegenüber liegende Wand zu schleudern, wo er bewusstlos zusammenbrach, aber nicht hart genug, um ihn zu töten. Ben schlug mit einem Geräusch auf den Boden auf wie ein mit Mehl gefüllter Sack, den man vom Fockmast eines Schiffes auf das Deck herunterfallen lässt, und Bast taumelte zur Seite und musste dann einen weiteren, hastigen Schritt machen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und ebenfalls zu stürzen. Für einen Moment rauschte das Blut so laut in ihren Ohren, dass es jedes andere Geräusch übertönte, und alles, was sie sah, waren rote Nebel und tanzende Schatten, die vergeblich versuchten, sich zu Formen zusammenzufügen.
Der Schwächeanfall verging so rasch wie der, der sie draußen auf der Treppe getroffen hatte, aber diesmal blieb etwas wie ein schlechter Geschmack auf ihrer Seele zurück. Sie machte einen weiteren Schritt und taumelte noch einmal, und diesmal so sehr, dass Maistowe hastig die Hand ausstreckte, um sie zu stützen. Maude und er mochten annehmen, dass sie vor Schwäche wankte, und das war auch gut so, aber der Schwächeanfall war längst vorüber. Was sie taumeln ließ war das Gefühl, innerlich in Stücke gerissen zu werden. Das Wenige, was sie von Ben genommen hatte, war längst nicht genug gewesen, um ihren Hunger zu stillen, sondern schien ihn fast im Gegenteil eher noch angestachelt zu haben. Sie hütete sich, Maistowes Angebot anzunehmen und sich auf ihn zu stützen. Sie wusste nicht, was passieren würde, wenn sie ihn berührte.
»Miss Bast?« In Maistowes Stimme schwang fast so etwas wie Panik mit. »Ist auch wirklich alles in Ordnung?«
Sie antwortete nur mit einem kraftlosen Nicken, schleppte sich weiter zum Bett und erschrak selbst, als sie das rasselnde Geräusch hörte, das ihre Atemzüge begleitete. Sie hatte Ben ganz eindeutig unterschätzt. Er hatte ihr fast den Kehlkopf zerquetscht. Wäre sie ein gewöhnlicher Mensch gewesen, dann wäre sie jetzt tot oder zumindest ohnmächtig. Ein weiterer in einer immer länger werdenden Reihe von Fehlern. Müde fragte sie sich, wann sie wohl einen Fehler machen würde, der ihr zum Verhängnis wurde.
Aber vielleicht hatte sie das
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