Anubis 02 - Horus
Sie einen Wagen zu finden. Vielleicht wird Ihnen ja Ihr Freund Abberline helfen.«
»He!«, protestierte Maude. »Was soll das heißen?«
»Dass ich das Mädchen mitnehme«, antwortete Bast ruhig. Ein gar nicht so kleiner Teil von ihr fragte sich, ob sie eigentlich den Verstand verloren hatte, aber sie hielt Maudes Blick gelassen stand. »Haben Sie etwas dagegen?«
»Und ob ich das habe!«, fauchte Maude. »Die Kleine gehört mir! Ich habe für sie bezahlt!«
»Wie viel?«, fragte Bast.
»Dreißig Pfund«, behauptete Maude.
»Verzeihung, Maude, aber zehn käme der Wahrheit wohl näher, nehme ich an«, mischte sich Maistowe ein. »Wenn überhaupt.«
»Und?« Maude stülpte trotzig die Unterlippe vor. »Ich hatte Unkosten! Musste die Kleine erst mal rausfüttern! So dürr wie sie war, hätte kein Mann sie auch nur angerührt! Die Kleider und das Zimmer, das sie belegt, was glaubt ihr, was das kostet! Ich brauche noch Monate, um auch nur meine Unkosten wieder herauszukriegen!«
Maistowe wollte widersprechen, aber Bast brachte ihn mit einer fast befehlenden Geste zum Schweigen. »Es ist gut«, sagte sie. »Wir bezahlen Ihnen die dreißig Pfund. Kapitän Maistowe, haben Sie zufällig so viel bei sich? Sie bekommen es selbstverständlich zurück.«
»Und mein entgangener Verdienst?«, lamentierte Maude.
»Übertreiben Sie es nicht«, antwortete Bast eisig. »Oder legen Sie Wert darauf, dass sich die Behörden für das interessieren, was in Ihrem Etablissement wirklich vorgeht?«
Das war ganz offensichtlich der falsche Ton. Maude sah keineswegs eingeschüchtert oder gar verängstigt aus, sondern wirkte ganz im Gegenteil eher triumphierend. Also gut.
Bast sah ihr tief in die Augen und gab ihr etwas, wovor sie Angst haben konnte.
Sehr große Angst.
Maude wurde kreidebleich und wich einen Schritt vor ihr zurück, und dann noch einen und noch einen, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Dann begann sie am ganzen Leib zu zittern.
»Wir nehmen das Mädchen mit«, sagte sie. »Ob wir uns jemals wiedersehen, liegt ganz bei Ihnen, Maude. Sie bekommen, was Sie verlangen, und damit sollten Sie sich zufriedengeben. Haben Sie das verstanden?«
Maude nickte. Sie war sehr blass. Und sie meinte dieses Nicken ernst.
»Gut.« Bast warf Maistowe einen auffordernden Blick zu. »Gehen wir.«
Maistowe war viel zu erschrocken, um zu widersprechen – oder überhaupt etwas zu sagen. Gehorsam wandte er sich um und eilte aus dem Zimmer, während Bast dem Mädchen die Hände auf die Schultern legte und es wie eine willenlose Puppe vor sich her auf den Flur schob. Sehr viel mehr war es im Augenblick auch nicht, aber das war vermutlich auch besser so. Sie musste dieses Kind zuallererst hier heraus und in Sicherheit bringen, für alles andere war später noch Zeit.
Maistowe war nur ein paar Schritte weit gegangen und dann wieder stehen geblieben, das aber so weit von dem immer noch bewusstlosen Türsteher entfernt, wie es nur ging. Er sah unglücklich aus; und sehr, sehr erschrocken.
»Nehmen Sie sie«, bat Bast. »Bringen Sie sie zu Mrs Walsh und bitten Sie sie, sich um sie zu kümmern, bis ich zurück bin.«
»Und Sie?«, fragte Maistowe zögernd.
»Ich habe hier noch zu tun«, antwortete Bast. »Aber ich komme nach, sobald ich kann.«
Maistowe wirkte nicht überzeugt. Er rührte sich auch nicht, sondern starrte Cindy nur aus großen Augen an. Wenn Bast jemals einen Mann gesehen hatte, der Angst hatte, dann ihn und jetzt.
»Gehen Sie jetzt, Kapitän«, sagte Bast. Und sie sagte es nicht nur, sondern verlieh ihren Worten auch auf anderem Wege Nachdruck; mit schlechtem Gewissen, aber ohne eine Wahl. Ihre Zeit lief ab, und das immer schneller.
Eine weitere, schier endlose Sekunde verstrich, aber dann löste er sich mit einer schon fast übertriebenen Bewegung aus seiner Starre, ergriff Cindy bei der Hand und führte sie weg. Bast wartete, bis sich die Tür am Ende des schmalen Ganges hinter ihnen geschlossen hatte, dann ließ sie sich neben dem noch immer bewusstlosen Ben in die Hocke sinken und legte ihm die Hand auf die Stirn. Sie konnte nicht nur nehmen, sondern auch geben, und nach einem Moment öffnete Ben stöhnend die Augen und kämpfte sich ins Bewusstsein zurück.
»Bleib liegen«, sagte sie sanft. »Dir ist nichts passiert. In ein paar Stunden wirst du dich wieder vollkommen gesund fühlen.« Sie lächelte flüchtig. »Und mach dir nichts draus, dass ich dich geschlagen habe. Kein normaler Mann kann mich
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