Anubis 02 - Horus
Oder auch nur in der Stadt.
Dennoch zog sie vorsichtshalber ihr Schwert, als sie sich Jones und Abberline anschloss. Sie fühlte sich nicht gut dabei, die beiden Männer vorausgehen zu lassen. Normalerweise war immer sie es, die die Initiative ergriff, und in diesem Fall wäre es sogar ganz besonders angezeigt gewesen … aber Abberline war schon jetzt misstrauischer, als gut war, und Bast beruhigte sich selbst mit dem Gedanken, dass weder Sobek noch Horus dort vorne auf sie warteten. Jetzt, wo sie wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte war, hätte sie die Nähe einer verwandten Seele gespürt, ganz egal, wie sehr sie sich auch abzuschirmen versuchte.
Der Gang mündete nach einem weiteren Dutzend Schritte in einen weit größeren, rechteckigen Tunnel mit gemauerten Wänden und trockenem Boden. Die Luft roch auch hier schlecht und verbraucht, aber nicht mehr so faulig und durchdringend nach Fäkalien und anderen Abfällen wie bisher, und Bast glaubte ein ganz sachtes Vibrieren des Bodens zu spüren, so als bewege sich tief unter ihren Füßen etwas ungemein Großes und Machtvolles.
»Was ist das hier?«, fragte sie. »Auch ein Teil der Kanalisation?«
»Ich bin nicht sicher«, antwortete Abberline. »Vielleicht ein Teil der Tube.«
Bast sah ihn fragend an, aber für Abberline war das eindeutig Antwort genug gewesen, denn er stürmte bereits weiter und ließ den Lichtschein seiner Laterne nervös vor sich über den Boden tasten.
»Wo ist der Kerl?«, murmelte er. »So weit kann er nicht mehr gekommen sein.«
»Vielleicht haben Sie ihn verfehlt, Sir«, sagte Jones vorsichtig.
»Unsinn!« Abberline schritt schneller aus, und das Huschen und Hin-und-her-Tasten des Lichtstrahls nahm an Hektik zu. »Ich habe gesehen, wie er gefallen ist! Da vorne! Da ist etwas!« Er verfiel in einen hastigen Laufschritt, sank plötzlich auf ein Knie hinab und richtete den Lichtstrahl auf einen dunkel glitzernden Fleck auf dem Boden. »Das ist Blut!«
»Also haben Sie ihn doch getroffen, Sir«, sagte Jones.
Abberline maß ihn mit einem kurzen, giftigen Blick, sah dann wieder auf die immense Blutlache hinab und streckte die Hand aus, wie um die Finger hineinzutauchen, tat es aber dann doch nicht. Er sah nachdenklich aus, aber auch erschrocken.
»Das ist … ziemlich viel Blut, Sir«, sagte Jones nervös und ganz offensichtlich in dem Bemühen, irgendetwas gutmachen zu wollen.
»Das stimmt, Konstabler«, murmelte Abberline. »Eindeutig zu viel, wenn Sie mich fragen. Ich verstehe nicht, wie er mit dieser Verletzung …« Er sprach nicht weiter, sondern stand wieder auf und ließ den Lichtschein weiter über den Boden tasten. Ausgehend von der gut drei Fuß messenden Blutlache vor ihm begann eine unregelmäßige Spur dunkler, noch nicht einmal halb eingetrockneter Blutflecke, die vor ihm in der Dunkelheit verschwanden. In einigen davon konnte man verschmierte Fußabdrücke erkennen.
»Sehr weit kann er mit dieser Verwundung jedenfalls nicht gekommen sein.«
Er wollte losgehen, aber Bast hielt ihn instinktiv mit einer raschen Bewegung zurück, ließ sich in die Hocke sinken, tauchte den Zeigefinger in die Blutlache und kostete dann behutsam mit der Zungenspitze daran. Jones verzog angewidert die Lippen, während Abberline jetzt nur noch misstrauischer wirkte.
»Sobek«, sagte sie. Der Blick, mit dem sie Abberline maß, war fast bewundernd. »Sie haben ihn tatsächlich getroffen.« Ihr Erstaunen war zwar echt, galt aber eigentlich mehr der Tatsache, dass Abberline noch lebte. Sobek gehörte eigentlich nicht zu denen, die die linke Wange hinhielten, wenn man sie auf die rechte schlug.
»Sobek?«, wiederholte Abberline. »Ein … Freund von Ihnen?«
»Nicht unbedingt.« Bast verzog die Lippen. »Eher ein … Verwandter. Leider kann man sich seine Familie nicht immer aussuchen.«
»Und das schmecken Sie an seinem Blut?«, fragte Abberline.
»Unter anderem«, antwortete Bast. »Meinen Glückwunsch, Inspektor. Sie haben ihn tatsächlich verletzt, und Sie sind noch am Leben. Meines Wissens ist das noch nicht vielen gelungen.«
»Herzlichen Dank«, sagte Abberline grimmig. »Und mir wird auch noch sehr viel mehr gelingen. Gibt es noch etwas, das ich über Ihren Verwandten wissen sollte, bevor ich ihn verhafte?«
»Dass er noch lebt«, antwortete Bast sanft. »Und Sie auch, Inspektor. Sie sollten froh darüber sein. Noch einmal werden Sie kaum so viel Glück haben.«
»Das könnte man als Drohung auslegen, Miss Bast«, antwortete
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