Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Angst – natürlich hatte er Angst –, und ihre Worte lieferten ihm einen Grund, den Rückzug anzutreten, den ihm sein Stolz und sein Pflichtgefühl verwehrt hatten.
    »Also gut«, sagte er widerstrebend. »Vielleicht haben Sie recht. Diese Tunnel erstrecken sich über Hunderte von Meilen, und das Biest kann überall sein. Aber ich erwarte Antworten von Ihnen, sobald wir wieder oben sind. Eine Menge Antworten.«
    Etwas klapperte. Abberline fuhr herum und schwenkte seine Lampe, und Bast sah gerade noch eine schattenhafte Gestalt, die am oberen Ende einer rostigen Metalltreppe verschwand, vielleicht fünfzig oder sechzig Fuß entfernt.
    Abberline stürmte los, und Bast sparte sich gleich den Atem, ihn zurückzurufen, sondern schloss sich Jones und ihm an. So schnell, als wäre der Stein nicht mit einem schlüpfrigen Belag überzogen, der ihn so glatt wie Schmierseife werden ließ, jagte Abberline den Sims entlang, erreichte die Treppe und stürmte sie mit einer Schnelligkeit hinauf, die nur aus dem völligen Fehlen jeglichen Gefahrbewusstseins resultieren konnte. Noch bevor Jones und Bast die Treppe auch nur erreichten, war er bereits an ihrem oberen Ende verschwunden.
    Und mit ihm das Licht.
    Schwärze schlug wie eine erstickende Woge über ihnen zusammen. Jones stieß ein erschrockenes Wimmern aus und blieb so abrupt stehen, dass Bast gegen ihn prallte und er halbwegs die Treppe hinauffiel, und für einen kurzen, aber durch und durch grässlichen Moment drohte sie in Panik zu geraten. Aus der Dunkelheit wurde etwas Anderes, Körperliches, das sich wie eine erstickende Faust um sie zu schließen schien, und plötzlich spürte sie die Blicke tausender winziger Augen, die sie gierig aus der Dunkelheit anstarrten.
    Bast besann sich endlich darauf, wer sie war, schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf das, was sie hörte, roch und fühlte, und die Panik fiel von ihr ab wie ein besudeltes Kleidungsstück, das sie angeekelt abschüttelte. Jones war vor ihr vor Entsetzen zwar schlichtweg verstummt – er atmete in diesem Moment nicht einmal –, versuchte sich aber trotzdem mit unsicheren Bewegungen in die Höhe zu stemmen, und wenn Bast gerade fast in Panik geraten war, so musste sie für das, was sie im Moment in ihm spürte, wohl ein neues Wort erfinden. Vorsichtig beruhigte sie ihn, bevor er sich selbst – oder sie – in seinem Zustand verletzten konnte, griff unter seine Arme und schob ihn mit sanfter Gewalt die rostigen Metallstufen hinauf.
    Als sie auf halber Höhe angekommen waren, hörte sie Abberlines Stimme, die irgendetwas schrie, was sie nicht verstand, und dann krachte ein einzelner, lang nachhallender Schuss. Bast fluchte lauthals in ihrer Muttersprache, versuchte Jones vergeblich zu größerem Tempo anzuspornen und stieg schließlich kurzerhand über ihn hinweg. Jones ächzte, als er zum zweiten Mal der Länge nach auf die rostigen Eisenstufen knallte, aber Bast verdoppelte nur ihre Anstrengungen, erreichte das obere Ende der Treppe und stürmte geduckt durch den niedrigen Gang, in die sie mündete. Ein tanzendes bleiches Licht an seinem jenseitigen Ende wies ihr den Weg.
    Abberline kam zurück, bevor sie das Ende des Stollens erreichte. »Ich habe ihn!«, keuchte er. »Ich hab den Kerl erwischt! jones, verdammt noch mal, wo bleiben Sie? «
    »Erwischt?«, fragte Bast. »Was meinen Sie?«
    Abberline gestikulierte nur wild mit der Hand, die die Pistole hielt. Jones war zwar inzwischen ebenfalls in den Gang geklettert, bewegte sich aber für seinen Geschmack anscheinend nicht schnell genug. »Verdammt, beeilen Sie sich, Konstabler! Ich habe den Kerl erwischt, aber ich bin nicht sicher, ob er allein ist!«
    »Wen haben Sie erwischt?«, fragte Bast beunruhigt.
    »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Ihren Bruder«, antwortete Abberline. Seine Augen wurden schmal. »Aber … weiß ich es eigentlich besser?« Er machte eine unwillige Geste. »Kommen Sie endlich, Konstabler. Es gibt nichts mehr zu fürchten. Ich hab den Kerl erwischt, und Krokodile können meines Wissens keine Leitern hinaufsteigen.«
    Jones schob sich mit wenig Anzeichen von Begeisterung an ihr vorbei, wirkte aber tatsächlich ein wenig beruhigt, und Bast lauschte einen Moment konzentriert in sich hinein. Sie konnte nicht sagen, auf wen Abberline geschossen hatte, aber er hatte ganz gewiss weder Horus noch Sobek getroffen. Zumindest nicht tödlich. Sie hätte es gespürt, wäre einer ihres Blutes in der Nähe gestorben.

Weitere Kostenlose Bücher