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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auch diskret genug, um die Lampe praktisch sofort wieder zu senken und auf Jones zu richten.
    Nicht, dass dessen Anblick wesentlich erbaulicher gewesen wäre. Er war auf Hände und Knie hinabgesunken und stierte blicklos ins Leere. Sein Gesicht war blutig, und was das Flackern tief in seinen Augen wirklich bedeutete, wollte Bast im Grunde gar nicht wissen.
    »Alles okay mit Ihnen, Konstabler?«, fragte Abberline.
    Die Frage kam Bast nachgerade lächerlich vor. Der Konstabler war fast so groß wie sie und unter normalen Umständen zweifellos das, was man einen Bär von einem Mann nannte; in jeder Hinsicht. Jetzt war er allerdings kaum mehr als ein zitterndes Häufchen Elend. Bast sah flüchtig in ihn hinein und schrak vor dem zurück, was sie erblickte. Sie beruhigte ihn rasch und so unauffällig, wie es gerade möglich war, löschte zumindest die allerschlimmsten Erinnerungen aus seinem Kurzzeitgedächtnis und gab ihm ein wenig von ihrer eigenen Kraft, nicht annähernd so viel, wie nötig gewesen wäre, aber genug, damit er zumindest nicht im nächsten Augenblick zusammenbrach.
    Anscheinend war sie trotz allem nicht vorsichtig genug gewesen, denn als sie sich wieder zu Abberline herumdrehte, war der Ausdruck von Misstrauen auf seinem Gesicht regelrecht explodiert. »Ich glaube, Sie sind mir wirklich eine Menge Antworten schuldig«, sagte er.
    »Alle, die Sie wollen«, sagte Bast zum wiederholten Male. »Aber nicht jetzt.«
    »Vielleicht reicht das nicht«, sagte Abberline.
    Bast sah ihn fragend an.
    »Vielleicht sollte ich Sie nach den Fragen fragen, die ich Ihnen stellen sollte, statt nur nach Antworten«, sagte Abberline ernst, machte zugleich aber auch eine abwehrende Handbewegung, als sie etwas darauf erwidern wollte. »Aber Sie haben recht. Jetzt ist nicht der richtige Moment dazu.«
    Was vermutlich der Wahrheit entsprach. Bast hatte bisher keinen Gedanken an ihre Umgebung verschwendet – schließlich war dies hier Abberlines Revier, und auch, wenn sich seine Fähigkeiten als Fremdenführer bisher als eher mangelhaft erwiesen hatten, so kannte er sich hier doch zweifellos trotzdem hundertmal besser aus als sie –, aber nun kamen ihr doch erste Zweifel. Wenn das hier ein typischer Londoner Underground-Bahnhof war, dann war der unüberhörbare Stolz, mit dem er von der Tube gesprochen hatte, hoffnungslos übertrieben.
    Sie waren vollkommen allein. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde hätte Bast diesen Umstand vielleicht noch akzeptiert – wenn auch mit Verwunderung –, aber das war längst nicht alles. Die gut zehn Fuß hohe, von wuchtigen hölzernen Stützpfeilern getragene Halle, in der sie sich befanden, war nicht nur verlassen, sondern auch dunkel. Der zitternde Strahl der Lampe riss eine Anzahl kunstvoll geschmiedeter Gas- oder Petroleumlampen aus der Dunkelheit, die an den gefliesten Wänden befestigt waren, und auch unter der Decke hingen wuchtige Kronleuchter, aber nicht eine einzige dieser Lampen war in Betrieb. Die Luft war so trocken, dass sie im Hals kratzte, und von einem sonderbar abgestandenen Geruch erfüllt, obwohl in dem Tunnel neben ihnen ein permanenter Luftzug herrschte, und auf dem Boden lag eine fast fingerdicke Staubschicht. Sie war nicht vollends unversehrt, sondern von einer Anzahl sich überschneidender Fußspuren durchzogen, aber keine davon schien jünger als mehrere Monate zu sein.
    »Täusche ich mich, oder hat Maistowe recht, und die Londoner Bürger nehmen nicht alle modernen Erfindungen an?«, fragte sie.
    Abberline warf ihr einen unsicheren Blick zu. Sie hatte spöttisch klingen wollen, aber ihre Worte hörten sich eher nach dem Gegenteil an. Irgendetwas in dieser verlassenen Halle schien sie zu packen und zu etwas anderem zu machen.
    »Das hier ist ein verlassener Bahnhof«, antwortete er überflüssigerweise. »Und ich glaube, ich weiß sogar, welcher.«
    »Und?«, fragte Bast. Etwas an der Art, auf die Abberline geantwortet hatte, gefiel ihr nicht.
    »Das müsste die alte Tower-Station sein«, murmelte Abberline, mehr zu sich selbst als an sie gewandt und in fast überraschtem Ton. »Erstaunlich. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so weit gegangen sind.« Er wandte sich um, trat wieder an den Bahnsteig heran und richtete die Lampe nach unten. Der Lichtstrahl riss einen rostigen Schienenstrang aus der Dunkelheit, wanderte zitternd und unsicher weiter und enthüllte für einen Moment eine ebenso verrostete Kette, die zwischen den Schienen verlief. »Ja, das ist

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