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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte.
    »Dort!«, schrie Abberline plötzlich. »Die Station! Schneller!«
    Das letzte Wort hatte er geschrien. Gleichzeitig versuchte er noch schneller zu laufen. Bast konnte nicht beurteilen, ob es ihm gelang, aber sein Lichtstrahl glitt plötzlich hüpfend unsicher über einen gut drei Fuß hohen Absatz auf der rechten Seite, hinter dem sich ein weitläufiger Raum befinden musste, denn das bleiche Licht traf auf keinen Widerstand mehr. Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung erreichte er sein Ziel, flankte mit einer unerwartet kraftvollen Bewegung hinauf und fiel prompt der Länge nach hin. Da er die Lampe mit sich nahm, hätte es dunkel werden müssen.
    Aber das wurde es nicht.
    Das Dröhnen und Schnauben war beständig lauter geworden, und plötzlich flammte hinter ihnen ein grelles, gelbes Licht auf, das Jones und ihren Schatten lang gezogen und grotesk verzerrt über die Schienen warf. Jones keuchte entsetzt, lief schneller und fiel prompt der Länge nach hin. Die Pistole flog davon, prallte Funken sprühend von den Schienen ab und verschwand in der Dunkelheit. Mit einem einzigen Satz war Bast bei ihm, zerrte ihn grob auf die Füße und warf ihn mehr den Bahnsteig hinauf, als dass sie ihn stieß. Das Licht wurde greller. Der Boden unter ihren Füßen zitterte und bockte jetzt so stark wie ein ungebrochenes Wildpferd, das seinen Reiter abzuwerfen versucht. Jones versuchte vollkommen absurderweise, sich loszureißen und seiner verlorenen Waffe hinterherzustürzen, und Bast vergaß auch noch ihren allerletzten Rest von Rücksicht, warf sich mit einem verzweifelten Satz zur Seite und zerrte den hilflos zappelnden Polizisten einfach mit sich. Etwas Riesiges, unvorstellbar Massiges raste so dicht hinter ihr entlang, dass sie der bloße Luftzug von den Beinen riss, und für einen Moment überstrahlte ein rasend flackerndes, stroboskopisches Licht den Schein von Abberlines Lampe. Ein schrilles, nicht enden wollendes Kreischen marterte ihr Gehör, und für einen winzigen, aber durch und durch schrecklichen Augenblick drohte sie nicht nur den Halt auf dem Boden zu verlieren, sondern auch in der Wirklichkeit, als hätte dieses schreckliche, eiserne Heulen und Knirschen gleichermaßen die Grenzen zwischen den Wirklichkeiten niedergerissen.
    »Ist alles in Ordnung?« Abberline streckte die Hand aus und half ihr in die Höhe, und Bast ertappte sich dabei, sein Angebot dankbar anzunehmen. Sie hatte immer noch das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, und für einen winzigen Moment umklammerte sie seine Hand so fest, dass er schmerzerfüllt die Lippen zusammenpresste.
    Hastig ließ sie seine Hand los. »Danke.«
    »Keine Ursache.« Abberlines Mundwinkel zuckten noch immer vor Schmerz, aber er zwang sich dennoch zu einem Lächeln, richtete den Lichtstrahl für einen Moment auf ihr Gesicht, um sie kritisch zu mustern, und trat dann an ihr vorbei an die Bahnsteigkante. Bast folgte ihm mit klopfendem Herzen, aber sie hatte Mühe, sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren.
    Der Tunnel war wieder leer. Das Rumpeln, Heulen und Kreischen nahm rasch an Lautstärke ab, und als Bast sich behutsam vorbeugte, sah sie gerade noch ein Paar dunkelroter flackernder Lichter um die nächste Biegung der unterirdischen Röhre verschwinden. Ihr Herz begann noch einmal schneller zu schlagen, und plötzlich war sie froh, dass Abberline den Lichtstrahl direkt in den Tunnel hinauslenkte. So sah er wenigstens nicht, wie stark ihre Hände zitterten.
    Was war nur los mit ihr?
    Natürlich wusste sie, was sie da sah: nichts anderes als eine Dampflokomotive, die auf Schienen tief unter der Erde fuhr, kein mythisches Ungeheuer, das aus den Abgründen der Zeit emporgestiegen war, um sie zu verschlingen, sondern das genaue Gegenteil, eine Maschine, ein Ding aus Stahl und Holz und Schrauben und Rädern, nicht mehr.
    Und trotzdem war es im Moment für sie ein Ungeheuer, vielleicht das bedrohlichste, das ihr jemals begegnet war. Die beiden roten Höllenaugen waren längst erloschen, aber sie glaubte ihren Blick noch immer mit fast körperlicher Intensität zu spüren. Das Zittern ihrer Hände ließ nicht nach, sondern nahm im Gegenteil noch einmal zu, und das Herz schlug ihr bis zum Hals.
    »Tja, ich würde sagen, jetzt steht es zwei zu eins für unseren Drachen«, witzelte Abberline lahm. Er trat wieder zurück, richtete den Scheinwerferstrahl ein zweites Mal direkt auf sie und erschrak sichtbar, als er in ihr Gesicht blickte. Allerdings war er

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