Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Moment hatte sie das Gefühl, von einer schwarzen Brandung überrollt zu werden, als die Erinnerung an all die Widerwärtigkeiten und Demütigungen über sie hinwegrollten, die dieses gequälte Kind in Maudes käuflicher Hölle hatte ertragen müssen.
    Es kam so überraschend, dass sie erschrocken zurückprallte und wohl auch ihre Physiognomie nicht so gut unter Kontrolle hatte, wie sie es gewohnt war, denn Cindys Augen standen weit offen, und Bast las ihrerseits einen Ausdruck tiefen Schreckens in diesem Blick.
    »Entschuldige«, sagte sie unbeholfen. »Ich wollte … dich nicht erschrecken.«
    »Hast du nicht«, antwortete Cindy. Sie hatte eine sehr helle, klare Stimme, ganz eindeutig die Stimme eines Kindes, so wie alles an ihr noch sehr viel kindlicher war, als man es ihrem Alter entsprechend erwarten konnte; zumindest jetzt, wo Mrs Walsh sie all der hässlichen Schminke, der falschen Farbe ihres Haares und der niedlichen Kleider entledigt hatte. Aber das war letzten Endes nur ein böser Streich gewesen, den Maude ihr gespielt hatte. Frauen wie Maude wussten, dass es Männer gab, die genau so etwas erregte.
    »Ich bin …«, begann sie.
    »Ich weiß, wer du bist«, fiel ihr Cindy ins Wort. Nicht nur ihre Stimme war so kristallklar, dass es schon fast ein bisschen unheimlich war, etwas, das eine Spur zu rein und perfekt erschien, um wirklich real zu sein, Bast spürte auch, dass sie vollkommen und absolut wach war. Da war nicht einmal eine Spur von Benommenheit. »Warum hast du mich mitgenommen?«
    »Mitgenommen?«
    »Ich will zurück zu Maude«, sagte Cindy sehr ernst. »Ich will nach Hause.«
    »Nach Hause?« Bast versuchte, in Cindy hineinzulauschen, aber sie schrak vor dem zurück, was sie in ihrem Inneren spürte. Da waren ein dunkler Strudel der Verderbtheit, die sie erschauern ließen. Im allerersten Augenblick schrak sie tatsächlich vor Cindy selbst zurück, aber sie begriff im gleichen Moment, wie unrecht sie dem Mädchen tat. Es war nichts an oder in Cindy, das sie so erschreckte. Es war das, was ihr angetan worden war. Der Schmutz, den sie spürte, war der, mit dem Cindy besudelt worden war.
    »Das war nicht dein Zuhause«, sagte sie, als Cindy nicht antwortete, sondern sie nur weiter aus ihren durchdringenden, hellblauen Augen anstarrte. Sie spürte einen Zorn dahinter, den sie sich nicht erklären konnte. Vielleicht war in diesem Moment ein wenig Härte angesagt. »Ich kann mich irren, aber ich glaube, Maude hat dich gekauft. Und wenn ich richtig informiert bin, warst du nicht einmal besonders teuer.«
    Es funktionierte nicht, das begriff sie, noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte. Sie wusste nichts über das Mädchen, nicht einmal ihren richtigen Namen – niemand hieß Cindy! –, aber sie spürte die Härte, die sich hinter diesem so zerbrechlich erscheinenden Kindergesicht verbarg, und sie war plötzlich nicht mehr sicher, dass diese Härte nur aus den wenigen Wochen resultierte, die sie in Maudes Obhut verbracht hatte.
    »Und?«, fragte Cindy. »Wer sagt dir, dass mich das stört?«
    Bast blickte ebenso fragend wie schockiert, und Cindy stemmte sich auf die Ellbogen hoch, sodass das bisher faltenlose weiße Laken herunterrutschte und Bast sah, dass sie darunter nackt war. Anscheinend war Mrs Walsh der Meinung gewesen, dass keine Kleidung noch immer besser war als das, was sie bei ihrer Ankunft getragen hatte. Mrs Walsh hatte sie offensichtlich auch gewaschen, aber irgendwie den gegenteiligen Effekt erzielt: Ohne Rouge und Puder und eingetrockneten Schweiß traten die blauen Flecken und kaum verschorften Kratzer nur noch deutlicher hervor. Das Mädchen sah kaum weniger schlimm aus als sie selbst; nur, dass seine Verletzungen nicht innerhalb weniger Stunden heilen würden. Vielleicht, dachte Bast kalt, war sie zu gnädig gewesen. Sie hätte Maude töten sollen.
    Cindy deutete ihren Blick falsch. »Gefällt dir, was du siehst?«, fragte sie.
    Bast zog die Decke mit einem Ruck vollends herunter und sah noch einmal und sehr ausführlich hin. »Nein«, sagte sie dann.
    »Magst du keine Frauen?«
    »Manchmal schon«, erwiderte Bast. »Aber du bist keine Frau. Noch nicht.« Sie fragte sich, warum sie sich auf dieses alberne Spiel einließ. Sie machte eine entsprechende Kopfbewegung. »Woher hast du die Narbe am Oberschenkel? Maude?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Cindy trotzig. »Ich erinnere mich nicht mehr.«
    Das war gelogen, aber Bast wusste auch, dass die halbmondförmige, hässliche Brandnarbe

Weitere Kostenlose Bücher