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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und sie wusste auch nicht, wie lange sie schon dort stand und zuhörte. Aber ihrem Gesichtsausdruck nach lange genug.
    »Ich hatte dich gebeten, nach oben zu gehen und Miss Bast zum Essen zu rufen«, fuhr sie in tadelndem Tonfall und direkt an Cindy gewandt fort. »Schade. Ich hatte eigentlich gehofft, mich auf dich verlassen zu können.«
    Cindy sagte vorsichtshalber gar nichts, sondern flitzte an ihr vorbei aus dem Zimmer, und auch Bast wollte sich in Bewegung setzen, doch Mrs Walsh hob rasch die Hand und hielt sie zurück. »Auf ein Wort.«
    »Mrs Walsh?«
    »Ich bin ein wenig enttäuscht von Ihnen, meine Liebe. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mich hintergehen.«
    »Hintergehen?«
    »Vielleicht war das das falsche Wort«, räumte Mrs Walsh ein, »aber Sie wissen sehr wohl, was ich meine. Warum lassen Sie mich mit Vater McNeill reden und all diese Dinge tun, wenn die Sache für Sie doch schon längst entschieden ist?«
    Sie hatte alles gehört. Einen Moment lang überlegte Bast ernsthaft, die Erinnerung an die letzten Minuten aus ihrem Gedächtnis zu löschen, entschied sich aber dann dagegen. Eine solche Manipulation war anstrengend, und sie würde das Gedächtnis der beiden ohnehin einer gründlichen Überarbeitung unterziehen müssen, sobald sie in Kairo von Bord ging.
    »Es ist noch gar nichts entschieden, Mrs Walsh«, sagte sie ruhig. »Und ich wollte mir auf jeden Fall anhören, was Vater McNeill anzubieten hat.«
    »Nicht mehr und nicht weniger als ein gottesfürchtiges Leben und harte Arbeit«, antwortete Mrs Walsh spröde. »Ist Ihnen das nicht genug für Ihren Schützling? Glauben Sie vielleicht, es ist mir leichtgefallen, zu Vater McNeill zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten, für so eine! «
    »Was genau meinen Sie mit so eine, Mrs Walsh?«, erkundigte sich Bast kühl.
    Mrs Walshs Miene verfinsterte sich noch weiter. »Bitte halten Sie mich nicht für dumm, Kleines«, sagte sie. »Ich weiß genau, was dieses Mädchen ist und woher es kommt – und damit meine ich nicht jenes zweifelhafte Etablissement, aus dem sie sie zweifellos zu Recht befreit haben. Unschuldige Kinder, meine Liebe, landen nicht in solchen Häusern. Es ist mir nicht leichtgefallen, mich für sie einzusetzen.«
    »Umso mehr danke ich Ihnen dafür, dass Sie es getan haben«, sagte Bast. Sie sollte wütend werden, und ein Teil von ihr war es auch, denn sie begriff plötzlich, dass Mrs Walsh ihr wohl nur etwas vorgespielt hatte und das ihre wirkliche Meinung über Cindy war. Eigentlich war sie aber eher enttäuscht. »Sollte sich Faye doch anders entscheiden, komme ich gern auf Vater McNeills Angebot zurück.«
    »Ich nehme an, diese Faye ist ebenfalls eine … ein Mädchen wie sie?«, fragte Mrs Walsh.
    »Wenn Sie schon lauschen, dann tun Sie es richtig«, antwortete Bast freundlich. »Faye wird die Stadt verlassen und ein neues Leben beginnen. Jedenfalls hat sie mir das gesagt. Ich halte es für eine gute Idee, wenn sie es gemeinsam versuchen.« Sie erstickte Mrs Walshs Widerspruch im Keim, wenn auch mit schlechtem Gewissen. »Ich werde später zu Faye gehen und alles Notwendige mit ihr klären.«
    »Tun Sie das«, antwortete Mrs Walsh. »Aber es wäre mir recht, wenn Sie diese Person nicht auch noch in mein Haus bringen würden. Und nun lassen Sie uns essen. Ich habe noch eine Menge zu tun. Immerhin geht unser Schiff um Mitternacht.«
    Das war noch lange nicht alles, was sie ihr eigentlich hatte sagen wollen, das spürte Bast, und vermutlich hätte sie es auch getan, hätte sie es zugelassen. Um eine weitere Diskussion zu vermeiden, schob sie Mrs Walsh mit sanfter Gewalt aus dem Weg und ging dann die Treppe hinab ins Untergeschoss.
    Der Anblick des kleinen, normalerweise pedantisch aufgeräumten Salons hatte sich seit ihrer Rückkehr von Vater McNeill am frühen Nachmittag radikal verändert: Überall standen Koffer, Taschen, Hutschachteln und Kartons. Abgesehen von dem kleinen Tisch am Kamin, auf dem eine Kanne mit dampfendem Tee und ein Abendessen warteten, das ebenso einfach wie der Lunch am Mittag überreich gewesen war, schien jedes einzelne Möbelstück mit diversen Kleidungsstücken belegt zu sein. Selbst auf dem Boden lagen Kleider, Schuhe und andere Reiseutensilien. Der Salon sah aus, als wäre ein Wirbelsturm hindurchgezogen. Kapitän Maistowe wuselte irgendwo in all dem Durcheinander geschäftig herum, ohne dass Bast sagen konnte, was genau er eigentlich tat, während Cindy bereits am Tisch saß und sich fingerdick Butter

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