Anubis 02 - Horus
alles in Ordnung.«
Im allerersten Moment sah es so aus, als wolle sich Faye einfach schlafend stellen; eine Rolle, die sie so perfekt spielte, dass selbst Bast einen Augenblick lang unsicher war. Dann aber zog sie die Hand unter dem Gesicht hervor, richtete sich langsam auf und schwang die Beine von der Pritsche. Bast hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass sie aufspringen und ihr um den Hals fallen würde, aber Faye sah sie einfach nur an und rührte sich überhaupt nicht.
»Geht es dir gut?«, fragte sie schließlich.
»So gut wie es einem eben geht, wenn man im Gefängnis sitzt«, antwortete Faye. »Ist das das neue Leben, das du mir versprochen hast?«
»Unsinn!« Bast schüttelte ärgerlich den Kopf und trat einen Schritt näher, blieb aber sofort wieder stehen, als sie spürte, dass sie im Begriff stand, Fayes persönliche Fluchtdistanz zu unterschreiten. »Monro hat dich hierhergebracht, weil du hier angeblich sicher bist. Aber Monro ist ein Idiot. Ich hol dich hier raus, keine Angst.«
»Und wann?« In Fayes Stimme war nicht eine Spur von Zuversicht oder gar Hoffnung.
»Heute«, antwortete Bast. Sie verbesserte sich. »Jetzt. Auf der Stelle. Ich nehme dich mit.«
»Ach, und du glaubst, er lässt das einfach so zu?«
Statt Faye eine Antwort zu geben, die sie ihr ohnehin nicht geglaubt hätte, drehte sich Bast mit einem Ruck herum und trat wieder in den Gang hinaus.
Sie erlebte eine Überraschung. Monro stand nicht vor der Tür und lauschte, wie sie als sicher vorausgesetzt hatte, sondern hatte sich nicht nur ein paar Schritte entfernt, sondern offensichtlich seine Leute weggeschickt. Bast sah gerade noch, wie sich der Letzte von ihnen herumdrehte und mit verstörtem Gesichtsausdruck und schnellen Schritten davonging.
»Was bedeutet das, Mr Monro?«, fragte sie.
»Sie haben mich gebeten, einen sicheren Platz für Faye zu finden, und …«
»Das meine ich nicht.« Bast deutete auf den Beamten, der beinahe schon das Ende des Ganges und damit die Treppe erreicht hatte. »Vor einer Minute hatte ich noch das Gefühl, dass Sie mich am liebsten verhaften würden.«
»Und wer sagt Ihnen, dass das jetzt anders ist?«, erwiderte Monro kühl, hob zugleich aber auch rasch die Hand, als sie antworten wollte. »Um ehrlich zu sein, ist mir immer noch danach. Aber bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich, dass Sie mir eine Frage beantworten. Warum sind Sie zurückgekommen?«
»Um Faye zu holen«, antwortete Bast. »Sie muss hier weg. Sie ist in Gefahr. Verdammt, was soll diese Frage?«
»Wenn das tatsächlich wahr ist, dann muss Ihnen wirklich viel an dem Mädchen liegen«, antwortete Monro. »Oder Sie sind einfach dumm. Aber es fällt mir schwer, eines von beidem zu glauben.«
»Sir, dürfte ich erfahren, was das alles zu bedeuten hat?«, fragte Abberline in einem Ton, der allein vermutlich schon ausreichte, ihm eine Versetzung in ein Zweihundert-Seelen-Kaff in den schottischen Highlands zu garantieren.
Monro ignorierte ihn. Sein Blick lastete durchbohrend auf Bast, und sie sah nichts als pure Angst darin. Aber zugleich auch eine trotzige Entschlossenheit, mit der sie als Allerletztes gerechnet hatte.
»Bevor ich Ihre Frage beantworte, Miss Bast«, sagte er, »möchte ich, dass Sie Folgendes wissen: Ich habe meine Männer weggeschickt, um allein mit Ihnen zu reden, aber ich habe es nicht getan, ohne ihnen sehr präzise Anweisungen zu geben. Diese Anweisungen lauten wie folgt: Sollte mir etwas zustoßen, ganz egal was, so werden sie Sie auf der Stelle verhaften, und falls Sie Widerstand leisten, haben sie Befehl, Sie zu erschießen. Dasselbe gilt, wenn ich mich irgendwie sonderbar benehme. Darüber hinaus haben wir eine Parole vereinbart. Sollte ich sie nicht nennen, wird die Tür zum Zellentrakt nicht geöffnet, bevor Sie nicht in Ketten liegen oder tot sind.«
Bast blickte in ihn hinein und erkannte, dass er die Wahrheit sprach. Sie erkannte auch das Kennwort, das er mit seinen Männern vereinbart hatte, und noch ein weiteres, geheimes Zeichen, das sie ebenfalls ausgemacht hatten. Aber sie erkannte auch noch etwas, was sie zutiefst erschreckte und mit einem nicht mehr ganz unterdrückten Keuchen zu Mrs Walsh herumfahren ließ.
»Es … es ist nicht meine Schuld, Bast«, sagte Mrs Walsh leise. »Ich konnte nichts tun. Sie … sie waren ganz plötzlich da.«
»Wer war ganz plötzlich da?«, fragte Abberline alarmiert.
»Ich bin kein Mann, der sich erpressen lässt, Miss Bast«, fuhr Monro fort,
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