Anubis 02 - Horus
hatte vorher eher wie ein Kontor gewirkt, in dem die Angestellten nur ganz zufällig schwarze Uniformen trugen. Jetzt schien er sich in eine uneinnehmbare Festung verwandelt zu haben. Der Anblick hätte sie beruhigen müssen, aber das genaue Gegenteil war der Fall. Vielleicht, weil sie sich – eindeutig gegen ihren Willen – eine simple Frage stellte: Hätte sie all das hier aufhalten können?
Ganz bestimmt nicht.
Sie versuchte weiter mit aller Macht an nichts zu denken, und es funktionierte auch weiter nicht. Immerhin gelang es ihr, die Schmerzen in ihren Beinen gänzlich auszuschalten, und sie spürte auch, wie sich ihr Körper nun rasch erholte.
Sie würde einen hohen Preis dafür bezahlen müssen, einen Heilungsprozess, der normalerweise mindestens einen Tag dauerte, in weniger als einer Stunde erzwungen zu haben. Sie spürte bereits jetzt, wie die Kräfte, die sie sich gestern genommen hatte, wie trockenes Laub in einem Feuersturm vergingen. Vielleicht würde sie sich in wenigen Minuten schon wieder vollkommen normal bewegen können – aber dann würde sie kaum noch kräftiger als irgendeiner der Männer hier im Raum sein.
Endlich, nachdem genug Zeit verstrichen war, um aus Basts bangem Gefühl erste echte Sorge werden zu lassen, kam Abberline zurück, einen äußerst aufgebrachten Monro im Schlepptau und zu Basts maßloser Überraschung begleitet nicht nur von den beiden Beamten, die ihn nach oben begleitet hatten, sondern auch von Kapitän Maistowe und Gloria Walsh.
Sie kam nicht einmal dazu, ihrem Erstaunen Ausdruck zu verleihen, denn kaum hatte Monro sie gesehen, da verdüsterte sich sein Gesicht noch einmal um mehrere Grade, und er hielt im Sturmschritt auf sie zu.
»Das nenne ich den Gipfel der Unverfrorenheit!«, polterte er los. »Sie besitzen tatsächlich die Dreistigkeit, hier aufzutauchen! Was sind Sie eigentlich – unbeschreiblich frech oder einfach nur dumm?«
Für einen Mann, der so viel Wert auf gepflegte Umgangsformen und tadellose Manieren legte wie Monro, fand Bast, war das ein geradezu ungeheuerlicher Zornesausbruch. Und er war noch nicht vorbei.
»Und was ist hier überhaupt los?«, polterte er weiter. »Sind jetzt hier alle verrückt geworden? Was soll dieser Unsinn? Sind wir hier im Kindergarten oder im Schmierentheater?«
»Faye«, sagte Bast einfach.
Abberline wollte antworten, aber Monro kam ihm wieder zuvor. »Ihrer kleinen Freundin geht es gut, nur keine Sorge. Die Frage ist, ob es Ihnen bald noch so gut geht wie jetzt.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Bast verwirrt. Sie versuchte zuerst Maistowes und dann Mrs Walshs Blick einzufangen, aber beide wichen ihr aus.
»Nun, meine Liebe«, antwortete Monro süffisant, »ich bin zum Beispiel gar nicht mehr sicher, wie lange Sie sich noch Ihrer Freiheit erfreuen können.«
»Wo ist Faye?«, fragte Bast eisig. Sie wollte nicht einmal über diesen Unsinn nachdenken.
»Oh, nur keine Sorge«, antwortete Monro. »Sie ist so sicher, wie es überhaupt nur geht. Möchten Sie sich vielleicht selbst davon überzeugen?« Er wartete ihre Antwort erst gar nicht ab, sondern drehte sich ruckartig auf dem Absatz herum und fuhr den erstbesten Mann in seiner Nähe an. »Haben Sie mich nicht verstanden? Dieses Theater hier hört unverzüglich auf! Legen Sie die Waffen weg! Und Sie, Verehrteste«, fuhr er, nun wieder an Bast gewandt, aber in unverändert scharfem Ton fort, »haben bitte die Freundlichkeit, mich zu begleiten!«
»Wohin?«, fragte Bast misstrauisch.
»Ich dachte, Sie wollten Ihre kleine Freundin besuchen und sich überzeugen, dass es ihr gut geht«, antwortete Monro. »Also, wenn ich bitten dürfte?« Er unterstrich seine Worte mit einer einladenden Geste, machte aber auch gleich darauf eine abwehrende Handbewegung, nun doch stehen zu bleiben, und winkte zwei Konstabler herbei. »Durchsuchen Sie sie!«
Bast spannte sich – trotz ihrer geschwundenen Kräfte wäre es für sie immer noch ein Leichtes gewesen, die Beamten davon abzuhalten –, aber Abberline warf ihr einen hastigen Blick zu und deutete ein Kopfschütteln an, sodass sie aufstand und sich widerstandslos abtasten ließ. Sie verstand nicht im Geringsten, was hier überhaupt vorging, aber sie war eher verwirrt als wirklich beunruhigt.
Monro wirkte nicht besonders überrascht, als ihm einer der Männer das Schwert reichte, das er aus ihrem Gürtel gezogen hatte.
»Vielleicht war ich gerade doch etwas vorschnell«, sagte er le diglich. »Behalten Sie Ihre Waffen
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