Anubis 02 - Horus
verstehst, was ich meine.« Er tat wieder einen halben Schritt und legte ihr die Hand auf die Schulter. Da sie gewusst hatte, dass er ganz genau das tun würde, geschah darüber hinaus jedoch nichts. »Nun stell dich nicht so an, Süße«, sagte er. »Wir zwei passen doch wunderbar zusammen. Ein Prachtbursche wie ich und ein Rasseweib wie du …«
»Es tut mir leid, aber ich möchte jetzt meine Unterhaltung weiterführen«, sagte Bast ruhig, griff nach seiner Hand und drückte seine Finger kurz, aber so kräftig zusammen, dass sie seine Gelenke knacken hören konnte. Aus der gleichen Bewegung heraus trat sie nun ihrerseits einen halben Schritt auf ihn zu, sodass er vor ihr zurückweichen musste, ob er wollte oder nicht. Vielleicht trug ja auch der Umstand dazu bei, dass sie seine Finger weiter mit der Kraft eines Schraubstockes zusammenquetschte. Ein wenig mehr, und sie würden brechen. Aber das wollte sie nicht. Noch nicht.
»Wie gesagt, ich habe etwas anderes vor«, sagte sie ruhig. »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, aber ich habe leider keine Zeit mehr.« Sie verstärkte den Druck auf seine Finger für eine halbe Sekunde noch um eine Winzigkeit – nicht genug, um ihn zu verletzen, aber ausreichend, um ihm wirklich weh zu tun, ließ los und lächelte knapp und so kühl, wie sie gerade noch konnte, ohne dass es albern wirkte.
Der Kerl prallte hastig einen Schritt zurück und umschloss seine gequetschten Finger mit der anderen Hand. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen, aber das war nicht unbedingt ein Zeichen von Feigheit. Ganz im Gegenteil. Bast wusste, wie schmerzhaft ein solcher Griff war. Sie hatte schon weit kräftigere Männer dabei wimmend in die Knie brechen sehen. Und nur den Bruchteil einer Sekunde darauf verschwand der Ausdruck von Schmerz auch aus seinen Augen und machte brodelndem Zorn Platz. Er war nicht nur kein Feigling, dachte Bast, sondern offensichtlich auch hart im Nehmen. Gut zu wissen.
»Du verdammte blöde Kuh!«, zischte er. »Ich werd dir …«
»Halt den Mund, Roy, und hör auf Liz und setz dich wieder hin«, sagte eine Stimme hinter ihm. Roy machte ein überraschtes Gesicht, drehte sich leicht schwankend herum und sah dann noch überraschter auf eine rothaarige Gestalt hinab, die ihm kaum bis zur Brust reichte und den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht zu sehen. Es war der Kellner von der Theke, der den Krug Bier brachte, den sie bestellt hatte. Er hatte Angst, das spürte Bast, aber er beherrschte sich ausgezeichnet. »Wir wollen keinen Ärger hier drin.«
»Die Schlampe sitzt auf meinem Stuhl«, beschwerte sich Roy. Er knetete seine gequetschten Finger noch immer mit der anderen Hand.
»Die Schlampe ist eine Lady, und im Moment steht sie neben deinem Stuhl«, antwortete der Rotschopf sanft. »Außerdem hat sie recht: Dein Name steht nicht drauf.«
»Er könnte ihn sowieso nicht lesen«, meinte Faye und kicherte. »Wenn er ihn überhaupt kennt.«
Der Rothaarige warf ihr einen zögerlichen Blick zu, knallte den Krug so fest auf den Tisch, dass es spritzte, und funkelte Roy warnend an. »Und jetzt spiel ausnahmsweise mal den Gentleman und überlass einer Dame deinen Platz.«
»Dame – ha!«, machte Roy. Aber der gefährliche Moment war vorbei. Er funkelte Bast noch einen Augenblick lang wütend und herablassend zugleich an – das war er sich selbst und seinem Ruf bei den anderen schuldig, vermutete sie –, aber schließlich wandte er sich mit einer Mischung aus einem Schnauben und einem blubbernden Rülpser ab und wankte um den Tisch herum, um sich zwischen die anderen auf die Bank zu quetschen.
»Und Sie sollten Ihr Bier austrinken und verschwinden«, fuhr der Rothaarige fort. »Wir brauchen hier keinen Ärger. Schon gar nicht mit Roy und seiner Bande.«
»Vielen Dank, trotzdem«, antwortete Bast. Sie bezahlte das Bier, gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und schenkte ihm noch ein strahlendes Lächeln obendrauf, das allerdings an ihm abprallte. Sie setzte sich erst wieder, nachdem er gegangen war.
»Das war ziemlich mutig von dir«, sagte Faye und nickte anerkennend.
»Eher ziemlich dumm«, murrte Liz. »Mit denen solltest du dich lieber nicht anlegen.«
»Roy und seine Freunde?« Bast griff nach dem Bierkrug, trank aber nicht davon. Alkohol – egal in welchen Mengen – hatte keine Wirkung auf sie, aber das zweite Bier würde auch nicht besser schmecken als das erste. »Keine Sorge. Ich kenne solche Männer. Hunde, die bellen, beißen
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