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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht ganz so einfach wie Männer, denen ein Baum oder eine Mauer ausreicht.«
    Bast tat beharrlich weiter so, als verstünde sie gar nicht. »Und?«, fragte sie nur noch einmal.
    »Es gibt dort einen Hinterausgang«, sagte Kate leise. »Ich glaube, Faye wollte dir anbieten, ihn dir zu zeigen.«
    »Das ist sehr freundlich«, antwortete Bast. »Aber ich muss nicht. Und ich habe es auch nicht sehr weit nach Hause. Vielleicht eine halbe Stunde. Ein kleiner Spaziergang tut mir wahrscheinlich gut.« Sie deutete mit einem gequälten Lächeln auf das Bier, das sie kaum angerührt hatte. »Ich fürchte, ich habe zu viel getrunken.«
    Faye starrte sie ungläubig an, und Liz sagte kühl: »Du musst wissen, was du tust, Schätzchen.«
    »Ja, ich denke, ich weiß es«, antwortete Bast. Sie stand auf. »Noch einmal vielen Dank für alles. Und … wenn eine von euch etwas von Patsy hört, dann sagt ihr doch einfach, dass Bast nach ihr gefragt hat. Wenn sie die Richtige ist, dann weiß sie, wer ich bin.«
    Und damit schob sie ihren Stuhl zurück und ging.
    Roy und seine vier Kumpane starrten sie geradezu hasserfüllt an, als sie stolz erhobenen Hauptes an ihnen vorüberging, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, aber Bast griff in einer wie zufällig erscheinenden Geste in ihren Ausschnitt und sorgte dafür, dass sie den massiven goldenen Anhänger sahen, bevor sie das Ten Bells endgültig verließ.

    Das Ungeheuer in ihr tobte. Bast hatte ihm Beute versprochen und dieses Versprechen bisher nicht eingelöst, und es war noch nie sehr geduldig gewesen. Jetzt schrie es vor Hunger und Gier, und es fiel ihr immer schwerer, es im Zaum zu halten.
    Außerdem fror sie erbärmlich.
    Sowohl ihr Kleid als auch der schwarze Kapuzenmantel, den sie darüber trug, waren aus einem schweren, dicht gewebten Stoff, der die Kälte eigentlich zuverlässig abhalten sollte. Sie hatte die Kleidungsstücke zu keinem anderen Zweck ausgewählt, als sie sich auf den Weg in dieses kalte, neblige Land gemacht hatte. Aber England hatte sie ein weiteres Mal überrascht. Es war Ende September, doch die Temperaturen entsprachen eher dem Jahreswechsel, und die Kälte war anders, als sie erwartet hatte.
    Bast war niedrige Temperaturen gewöhnt. Auch in ihrer Heimat, die die meisten Europäer nur mit Sonnenglut und unerträglicher Hitze assoziierten, fielen die Temperaturen nachts manchmal weit unter den Gefrierpunkt, und sie war schon in Ländern gewesen, in denen der Schnee nie schmolz und sich die Sonne nur in der Hälfte des Jahres am Himmel zeigte. Aber diese Kälte hier war … anders.
    Es war nicht einmal wirklich kalt. Der feine Nieselregen – eigentlich eher eine Art feuchter Dunst –, der sie empfangen hatte, als sie das Ten Bells verließ, würde noch Wochen brauchen, bevor er sich in Schnee oder Hagel verwandelte, aber es war eine kriechende, heimtückisch feuchte Kälte, die ebenso beharrlich wie unaufhaltsam unter ihre Kleider geglitten war und sich längst darangemacht hatte, auch unter ihre Haut zu kriechen und nicht nur ihre Muskeln, sondern auch ihre Knochen ganz langsam zu einer porösen Masse erstarren zu lassen, die bei der geringsten unvorsichtigen Bewegung wie Glas zerspringen musste. Bast war an Orten gewesen, die hundertmal kälter waren als dieser, und trotzdem fragte sie sich zum ersten Mal in ihrem langen Leben ganz ernsthaft, ob jemand ihrer Art eigentlich erfrieren konnte.
    Wahrscheinlich nicht, dachte sie missmutig. Wahrscheinlicher war eher, dass sie einfach steif umfiel und in einem oder zehn oder auch hundert Jahren von irgendjemandem gefunden und aufgetaut wurde, den anschließend der Schlag traf, wenn die vermeintliche Eismumie die Augen aufschlug und um einen heißen Tee bat.
    Was für eine durch und durch dämliche Vorstellung!
    Ein leises Poltern drang in ihre Gedanken und bewahrte sie davor, in womöglich noch kindischere Fantasien abzugleiten.
    Bast ging raschen Schrittes, aber äußerlich vollkommen ruhig weiter. Sie blickte sich weder um, noch zeigte sie auch nur das mindeste Anzeichen von Nervosität; allenfalls, dass sie als Reaktion auf die beißende Kälte die Schultern ein wenig zusammengezogen hatte. All ihre Sinne waren jedoch plötzlich zum Zerreißen angespannt, und die Nacht schien von einem Atemzug auf den anderen voller Geräusche und Gerüche zu sein. Der Großteil der Häuser, die die schmale Straße flankierten, lag bereits im Dunkeln, nur hier und da brannte noch ein einzelnes Licht, das die wattige

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