Anubis 02 - Horus
wie Roy instinktiv die schiere Todesangst erkannten.
»Oh, nichts.« Roys Grienen wurde noch breiter. »Wir wollten Sie nur sicher nach Hause begleiten, Lady. Ist keine gute Gegend hier. Hat man Sie denn nicht gewarnt, dass es für eine Frau gefährlich sein kann, hier allein unterwegs zu sein, und noch dazu nachts?«
»Ich … kann schon auf mich aufpassen«, antwortete sie nervös. Ihr Blick tastete unstet an ihm vorbei und durch die Schatten und Winkel im vorderen Teil der Gasse; wie ein in die Enge getriebenes Tier auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg. »Aber trotzdem vielen Dank für die Warnung. Ich habe gar nicht gedacht, dass man heutzutage noch auf echte Gentlemen trifft.«
»Ist auch nicht so«, antwortete Roy fröhlich. Die Gestalt hinter ihm bewegte sich unruhig, und Bast hörte, wie auch die beiden Burschen hinter ihr näher kamen.
Sie fuhr sich nervös mir der Zungenspitze über die Lippen. »Ich … danke Ihnen jedenfalls für Ihre Fürsorge. Aber ich habe es jetzt nicht mehr weit bis nach Hause. Die paar Schritte schaffe ich schon noch«, sagte sie und versuchte, einen Schritt an ihm vorbeizutun.
Natürlich blieb es bei dem Versuch. Roy machte keine Anstalten, sie anzufassen – noch nicht –, aber er streckte rasch den Am zur Seite und verwehrte ihr so den Weg. »Nicht so schnell, Süße«, sagte er. Sein Lächeln erlosch und machte etwas anderem Platz, wofür Bast keinen passenden Ausdruck kannte, obwohl sie es schon unzählige Male gesehen hatte. »Da ist noch eine Sache zwischen uns zu klären.«
Bast wich mit gespieltem Erschrecken einen Schritt vor ihm zurück – sehr viel weiter konnte sie nicht, ohne gegen einen der beiden anderen Kerle zu prallen, die inzwischen noch näher gekommen waren und sich vermutlich auch noch einbildeten, sie wären dabei besonders leise gewesen. »Sie … meinen doch nicht etwa diese dumme Sache mit dem Stuhl«, sagte sie nervös. »Ich bitte Sie! Das war doch … nur ein Missverständnis.«
»Für mich nicht«, antwortete er. »Ich kann’s nun mal auf den Tod nich’ ausstehn, wenn man mich vor meinen Freunden lächerlich macht.« Er zuckte die Achseln und machte einen einzelnen, wiegenden Schritt auf sie zu. »Außerdem war es mein Lieblingsstuhl. Ich bin da ’n bisschen eigen, weißt du?«
Bast verstand nicht ganz, warum er sich nicht längst einfach auf sie gestürzt hatte. Anscheinend fühlte er sich sehr sicher und wollte mit ihr spielen.
So oder so, Bast gemahnte sich auf jeden Fall in Gedanken zur Vorsicht. Roy war zwar nicht ganz so groß wie sie, aber ein gutes Stück schwerer, und auch die anderen waren alles andere als Schwächlinge. Bast bedauerte es inzwischen schon fast, keine Waffe mitgenommen zu haben. Immerhin waren sie zu viert.
»Also gut, es tut mir leid«, sagte sie. »Ich entschuldige mich bei Ihnen. Es kommt bestimmt nicht noch einmal vor.«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, sagte Roy.
Bast sah die Bewegung kommen, tauchte im letzten Moment unter seiner zupackenden Hand weg und versetzte ihm gleichzeitig einen Stoß vor die Brust, der ihn mit einem überraschten Grunzen zurücktaumeln ließ. Gleichzeitig fuhr sie herum – und genau in die Arme eines der beiden Kerle, die sich von hinten an sie angeschlichen hatten.
Es war, als wäre sie unversehens mit dem Kopf in ein Jauchefass getaucht und hätte vergessen, Mund und Nase fest zu schließen. Gewalt, pure Lust am Quälen und dem Verbreiten von Furcht explodierte in ihren Gedanken, ein solcher Sumpf niedriger Begierden, dass der erschrockene Schrei, der über ihre Lippen kam, nicht einmal mehr vorgetäuscht war. Sie hatte genau das gewollt, diesen Blick in die tiefsten Abgründe seiner Seele, um auch ganz sicher zu sein, aber was sie nicht erwartet hatte, das war der Morast aus abgrundtiefer Verkommenheit, ein klebriger Sumpf, der sie um ein Haar mit sich in die Tiefe gerissen hätte und wie Säure an den Ketten fraß, die ihr eigenes Ungeheuer hielten. Um ein Haar hätte es sich losgerissen, aber irgendwie gelang es ihr, es noch einmal zu bändigen.
Sie fragte sich beinahe selbst, warum.
Aus ihrem Schrei wurde ein ersticktes Keuchen, als der Kerl sie mit solcher Wucht gegen die Mauer stieß, dass ihr Hinterkopf gegen den rauen Stein prallte und sie für einen Augenblick nichts als eine Explosion aus reinem weißem Schmerz sah.
Als das farbige Flimmern vor ihren Augen erlosch, war es wieder Roy, der vor ihr stand, nicht mehr der Bursche, der sie gestoßen hatte. Das
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