Anubis 02 - Horus
unverzüglich auf ihn zu stürzen, sondern rollte ihrerseits herum, ergriff das Schwert, das Renouf fallen gelassen hatte und sprang auf die Füße. Ein Schmerzenslaut kam über ihre Lippen, als das zersplitterte Elfenbein des Griffes in ihre Handfläche biss, aber sie schloss die Faust trotzig nur noch fester um die Waffe und fuhr zu ihrem Gegner herum.
Wie es aussah, war ihre Entscheidung richtig gewesen.
Auch Renouf war inzwischen wieder auf den Beinen und hielt eine Waffe in der Hand: ein sichelförmig gekrümmtes Schwert, das fast doppelt so lang war wie ihre eigene Waffe, und dessen Griff sich vermutlich nicht wie weiß glühendes Eisen in seine Handfläche grub. Und allein die Art, auf die er diese bizarr anmutende Waffe hielt, machte ihr klar, dass er es nicht zum ersten Mal tat, und dass er sehr wohl damit umzugehen verstand.
Aber nicht so gut wie sie. Auch das erkannte sie.
»Du solltest …«, begann Renouf, und Bast stürmte ansatzlos vor und schlug zu.
Wie sie erwartet hatte, riss er – gebrochene Finger oder nicht – sein Sichelschwert in die Höhe und fing den Schlag ohne Mühe ab, aber auch der zweite Teil ihrer Rechnung ging auf. Sachmet wusste längst, nicht wen, aber was sie vor sich hatte, und sie kannte ihre eigenen Grenzen, und damit auch seine. Sie hatte gar nicht versucht, ihn zu treffen, sondern sein Schwert. Die pure Wucht des Hiebes, in dem all ihre ganze furchtbare Kraft lag, ließ die kaum verheilten Knochen in seiner Hand abermals brechen, und der Schmerz war selbst für ihn zu viel. Renouf brüllte auf, taumelte zurück und prallte gegen eine der wahllos aufgestapelten Kisten, auf der eine Petroleumlampe stand. Das Schwert flog – ebenso in Stücke zerbrochen wie ihr eigenes – davon, und Renouf stürzte hilflos zu Boden und riss die Lampe mit sich. Wie durch ein Wunder prallte sie klirrend neben ihm auf den harten Stein, ohne zu zerbrechen. Bast setzte ihm nach, den zersplitterten Stumpf des Schwertes noch immer in der Hand, und Renouf packte die heftig flackernde Petroleumlampe und schleuderte sie ihr ins Gesicht.
Jedenfalls versuchte er es. Bast warf sich zur Seite und riss im letzten Moment den Arm vor das Gesicht – schnell, rasend schnell, aber nicht schnell genug. Die Lampe prallte gegen ihren Unterarm und zerbarst. Brennendes Petroleum spritzte in alle Richtungen davon und setzte ihren Turban und ihren Mantel in Brand. Schmerz und unerträgliche Hitze hüllten sie ein, als wäre sie selbst nicht mehr als eine lodernde, lebendig gewordene Fackel, und als sie zurücktaumelte und ihren schmelzenden Turban herunterriss, wurde es im ersten Moment schlimmer, nicht besser. Auch ihr Mantel stand plötzlich in Flammen. Bast taumelte schreiend zurück, riss den lodernden schwarzen Stoff von den Schultern und fiel hustend und qualvoll nach Atem ringend auf die Knie. Die Qual wurde für einen Moment so schlimm, dass sie das Bewusstsein zu verlieren drohte, aber da war noch immer ein anderer, stärkerer Teil in ihr, der ihre Hände zwang, sich zu bewegen und die Flammen auszuschlagen und die höllische Qual einfach zu ignorieren. Da war Bewegung, irgendwo am Rande des immer kleiner werdenden Ausschnitts der Wirklichkeit, den sie noch wahrnehmen konnte, aber es war ihr nicht mehr möglich, darauf zu reagieren. Wimmernd krümmte sie sich am Boden, ergab sich ganz dem grausamen Schmerz, der ihr Fleisch verzehrte und sie einhüllte wie eine zweite, unsichtbare Flamme, und zog irgendwie Kraft daraus. Vielleicht nicht sie, aber das … Ding in ihr, das sie hasste und fürchtete wie nichts anderes auf der Welt und das doch der einzige Grund war, aus dem sie überhaupt noch lebte, und sie spürte, wie sich irgendetwas tief in ihr änderte. Vielleicht zum allerersten Mal war dieses Ungeheuer, gegen das sie seit so langer Zeit kämpfte, nicht ihr Feind, sondern ihr Verbündeter. Es war seine Kraft, die sie rettete, nicht ihre eigene. Der Schmerz erlosch, und eine neue, unglaublich düstere Kraft durchströmte sie.
Bast sprang auf die Füße, riss instinktiv die Arme vor das Gesicht und sah einen verzerrten Schatten über sich. Ein Schlag traf sie, hart genug, um ihr die Luft aus den Lungen zu treiben und sie zwei-, dreimal hilflos nach Atem ringend über den Boden rollen zu lassen, aber nicht hart genug, um sie zu verletzen oder gar zu töten. Wie durch einen tanzenden Schleier aus Schwarz und Rot und Tausenden unmöglicher Schattierungen dazwischen sah sie, wie der Schemen herumwirbelte
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