Anubis 02 - Horus
und zur Tür sprang und dann einfach verschwunden war.
Das Ungeheuer, dessen Name Sachmet war, schrie vor Wut und Enttäuschung auf, aber nicht einmal seine Kraft reichte aus, um sie sofort aufspringen und die Verfolgung aufnehmen zu lassen. Für einige Sekunden – nicht einmal viele, vielleicht zwei oder drei, zugleich aber eine schiere Ewigkeit in dem Strudel schierer Kraft und Blut trinkender destruktiver Energie, in den sie hineingerissen worden war und der sie zu verschlingen drohte – trieb sie tatsächlich am Rande der Bewusstlosigkeit entlang, aber schließlich gelang es ihr, mit trägen, aber hartnäckigen Schwimmbewegungen den Rand dieser tödlichen Strömung zu erreichen und sich irgendwie an Land zu ziehen.
Das Erste, was Bast bewusst wahrnahm, war ein dünnes, schluchzendes Wimmern, ein fast erstickter, unglaublich jämmerlicher Laut, der wie ein weiß glühender Speer in ihre Gedanken stach und sie dazu brachte, den Kopf zu wenden und nach seiner Ursache Ausschau zu halten, statt den Schemen zu verfolgen.
Mrs Walsh war nur ein kleines Stück neben ihr auf die Knie gesunken und rang keuchend und zitternd wie unter unerträglichen Krämpfen nach Atem, obwohl die schlimmste Verletzung, die sie davongetragen hatte, nicht mehr als eine abgetrennte Haarlocke war. Statt Renouf hinterherzustürmen, wie es die lautlos kreischende Stimme in ihr verlangte, war sie mit einem einzigen Schritt neben Mrs Walsh, legte ihr die Hand unter das Kinn und zwang sie mit sanfter Gewalt, ihr ins Gesicht zusehen. Ein Fehler, wie sie sofort begriff. Mrs Walsh beruhigte sich nicht. In ihren Augen loderte das blanke Entsetzen, und wie hätte es auch anders sein können, blickte sie doch in ein verbranntes, zerschnittenes und blutüberströmtes Gesicht, dessen linke Wange herunterklappte wie ein Stück loser Tapete von einer faulenden Wand.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte sie.
Mrs Walshs Blick erklärte ihr das genaue Gegenteil, und Bast legte ihr rasch die flache Hand auf die Stirn und sorgte dafür, dass ihre Furcht tatsächlich erlosch; zumindest in einem Ausmaß, in dem sie ihren freien Willen nicht zu sehr schändete oder gar Schaden hinterließ.
Sie sah zur Tür. Sie stand einen Spalt breit offen, und Renouf war verschwunden. Aber sie konnte seine hastigen Schritte draußen auf dem Gang noch hören. Er war schnell. Nicht zu schnell für sie, aber viel zu schnell, um noch mehr Zeit zu vergeuden.
Hastig sprang sie auf und warf einen raschen Blick in die Runde. Obwohl es ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen war, hatte der Kampf mit dem vermeintlichen Museumsdirektor doch nur wenige Sekunden gedauert, und dennoch glich die Kammer einem Schlachtfeld. Was zuvor nur unordentlich und lieblos aufeinandergestapelt gewesen war, war nun zerstört und zerborsten; überall lagen Trümmer und Splitter und zermahlenes Glas und zerbrochener Alabaster, und die schmelzenden Überreste ihres Turbans und der noch immer lichterloh in Flammen stehende Mantel waren nicht alles, was brannte.
»Löschen Sie das Feuer, Mrs Walsh«, sagte sie. »Und warten Sie hier.« Sie zögerte einen kaum spürbaren Moment. Dann: »Fünf Minuten. Wenn ich bis dahin nicht zurück bin, laufen Sie.«
Und schon in der nächsten Sekunde lief auch sie, stürmte aus der Kammer und wandte sich nach rechts, in die Richtung, in der Renoufs hastige schwere Schritte verschwunden waren. Sein Vorsprung war groß, zehn oder zwölf Sekunden, eine Ewigkeit für ein Wesen, das sich so schnell zu bewegen imstande war wie er – aber sie hatte eine reelle Chance, ihn dennoch einzuholen, denn sie war mindestens genauso schnell. Falls ihre Kräfte reichten. Das Feuer in ihr brannte hell und so heiß, dass sie sich nichts vorstellen konnte, was sie wirklich aufzuhalten vermochte, aber sie kannte auch nur zu gut den Preis, den sie dafür bezahlen würde. Es war eine Flamme, die sich selbst verzehrte, unwiderstehlich heiß, aber kurzlebig. Sie hatte nicht viel Zeit, um den Namenlosen einzuholen und zu stellen.
Den Namenlosen! Als ob sie nicht wusste, wen sie jagte!
Sie beschleunigte ihre Schritte noch einmal und sah, wohin ihr Gegner geflohen war: Auch in dieser Richtung endete der Gang vor einer eisernen Wendeltreppe, die weiter nach unten führte.
Das schwere Metallgerüst dröhnte unter hastigen Tritten, und ein fauliger Geruch nach totem Wasser und verwesenden Dingen schlug ihr entgegen, lange bevor sie die Treppe erreichte.
Kurz bevor sie sie erreichte, flog eine Tür auf
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