Anubis - Roman
mir zu glauben, aber Sie werden nichts anderes von mir hören, und wenn das hier noch einen ganzen Tag dauert.«
Er hatte sich bemüht, einen allenfalls resignierenden Tonfall in seine Stimme zu legen und keinesfalls herausfordernd oder gar herablassend zu klingen, aber dieser Versuch schien offensichtlich nicht unbedingt von Erfolg gekrönt zu sein, denn er konnte regelrecht sehen, wie sich etwas in Wilsons scheinbar gleichmütig dreinblickenden Augen änderte. Mogens gemahnte sich in Gedanken zur Vorsicht. Wilson hatte vermutlich nicht einmal etwas gegen ihn, aber er war ein einfacher Mann, und wie viele einfache Menschen begegnete er Akademikern mit einer Mischung aus Respekt und aus Unsicherheit geborener Aggressivität.
»Sheriff, was erwarten Sie eigentlich von mir?«, fuhr er nach einer spürbaren Pause und mit deutlich veränderter, ruhigerer Stimme fort. »Ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Ich bin nach draußen gegangen, um nach einer Katze zu suchen, die verschwunden war.«
»Und Sie haben sie gefunden, aber leider nicht mehr lebendig«, seufzte Wilson. »Irgendein Raubtier hatte sie in Stücke gerissen. Doch statt zurückzugehen und Hilfe zu holen – oder wenigstens eine Waffe! –, haben Sie sich auf eigene Faust und mit leeren Händen an die Verfolgung des Raubtieres gemacht, das, wie Sie selbst sagen, eine ausgewachsene Katze in Stücke gebissen hat.« Er schüttelte den Kopf. »Können Sie sich vorstellen, welches Tier in der Lage ist, so etwas zu tun, Professor?«
Mogens schwieg. Er konnte es sich nicht vorstellen, er hatte es gesehen , aber er hatte Wilson nichts von dem glutäugigen Ungeheuer erzählt. So etwas hatte er einmal getan, vor neun Jahren, und er würde es nie wieder tun.
»Sie müssen entweder ein sehr mutiger Mann sein, Professor, oder ein sehr dummer«, fuhr Wilson fort, als er keine Antwort bekam.
»Dumm«, mischte sich eine Stimme von der Tür her ein, »wäre es allerhöchstens, wenn Professor VanAndt jetzt auch nur noch eine einzige Ihrer Fragen beantworten würde, Sheriff.« Wilson sah mit einem Ruck auf, und Mogens konnte nicht nur erkennen, dass alle Farbe aus seinem Gesicht wich, sondern auch, wie sich seine Augen mit einer jähen Mischung aus Schrecken und Zorn füllten, ohne dass er hätte sagen können, welches dieser beiden Gefühle nun überwog. Dann fuhr auch er überrascht zusammen, als er sich auf seinem Sitz umdrehte und den uneingeladenen Gast erkannte, der Wilsons Büro betreten hatte. »Jonathan!«
Graves nickte ihm flüchtig zu, bevor er die Tür mit einer unnötig heftigen Bewegung hinter sich ins Schloss warf und an Wilsons Schreibtisch herantrat. »Was geht hier vor?«, fragte er herausfordernd.
Im allerersten Moment schien es, als reiche allein Graves’ herrischer Ton, um Wilsons Widerstand zusammenbrechen zu lassen, dann aber erinnerte sich der Sheriff ganz offensichtlich, wo sie hier waren. Er stand nicht auf, funkelte Graves aber mit trotzig vorgerecktem Kinn an und ließ ganz bewusst einige Sekunden verstreichen, bevor er antwortete: »Guten Morgen, Doktor Graves. Und um Ihre Frage zu beantworten: Ich habe einige Fragen an Professor VanAndt, und ich denke nicht, dass es Sie etwas angeht, was …«
»Oh, Sie denken «, fiel ihm Graves höhnisch ins Wort. »Nun, dann werde ich Ihnen sagen, was ich denke, Sheriff.« Er wedelte mit der Hand in Mogens’ Richtung, ohne Wilson dabei auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. »Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn Sie einen meiner Mitarbeiter verhören, Sheriff!«
»Niemand hat etwas von einem Verhör gesagt«, antwortete Wilson. Er versuchte selbstbewusst zu klingen, aber seine Worte hörten sich eigentlich nur noch verstockt an. Er hatte bereits verloren, begriff Mogens. »Ich habe lediglich ein paar Fragen an Professor VanAndt.«
»Und dazu muss er sich ausziehen und halb nackt vor Ihnen auf einem Stuhl sitzen?«
»Das hat damit nichts zu tun«, sagte Mogens rasch. »Meine Kleider waren verschmutzt. Sheriff Wilson war so freundlich, sie säubern zu lassen.«
Graves warf ihm einen kurzen, eisigen Blick zu, sprach jedoch an Wilson gewandt weiter. »Was ist geschehen?«
»Wir haben Ihren«, er deutete auf Mogens, »… Mitarbeiter in der Nähe des ausgebrannten Wagens aufgegriffen. Er hat sich daran zu schaffen gemacht.«
Graves hob scheinbar gelangweilt die Schultern. »Was nicht strafbar ist, oder? Streng genommen gehört der Wagen immer noch mir. Und ich habe nichts dagegen, dass
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