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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ist auf jeden Fall nicht das Werk des Teufels, Miss Preussler«, sagte Graves spöttisch, »das kann ich Ihnen versichern, sondern vielmehr das einer Kultur, die schon gewaltige Wunderwerke geschaffen hat, als das Christentum noch nicht einmal eine Idee war.«
    »Ich bin durchaus mit der Kunst des alten Ägypten vertraut, Doktor Graves«, beschied ihn Miss Preussler. »Der Herr Professor hat mich oft genug an seinem Wissen teilhaben lassen, und selbst eine dumme alte Frau wie ich erkennt eine Statue des Horus, wenn sie vor ihr liegt.«
    Graves warf ihr einen leicht irritierten Blick zu, und auch Mogens war nicht wenig überrascht. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen er sich mit Miss Preussler über seine Arbeit und die Kultur des alten Ägypten unterhalten hatte, waren die, bei denen sie ihre Missbilligung zum Ausdruck brachte, dass sich ein doch so vernünftiger, intelligenter junger Mann wie er mit solchen abstrusen Dingen abgab. Das Eingeständnis schien Miss Preussler auch ein wenig peinlich zu sein, und Mogens nahm an, dass ihr Wissen zweifellos aus den Büchern auf den Regalen in seinem Zimmer stammte, die sie in seiner Abwesenheit gründlich durchgeblättert hatte. Mogens vermochte allerdings nicht zu sagen, was ihr an diesem Eingeständnis unangenehmer war – die Tatsache, dass sie damit praktisch zugab, in seiner Abwesenheit sein Zimmer durchsucht zu haben, oder der Umstand, dass sie den Inhalt seiner gotteslästerlichen Machwerke immerhin so sehr interessiert hatte, dass sie sich den Namen mindestens einer dieser heidnischen Gottheiten gemerkt hatte.
    »Trotzdem«, fuhr sie in mehr verunsichertem als zweifelndem Ton fort, »ist hier etwas … sonderbar.«
    »Nur sehr wenige Menschen haben jemals ein echtes Kunstwerk aus dem alten Ägypten in Händen gehalten, Miss Preussler«, sagte Mogens. »Das meiste, was in unseren Museen steht, und fast alles, was Sie in meinen Büchern gesehen haben, sind Kopien von Kopien.«
    Miss Preussler gab sich zwar mit dieser Erklärung zufrieden, warf ihm aber dennoch einen weiteren, noch verwirrteren Blick zu, und auch Mogens war ganz und gar nicht sicher, ob diese Erklärung tatsächlich ausreichte. Selbst er hatte den Odem des Fremden und irgendwie Nichtmenschlichen gespürt, als er das erste Mal hier heruntergekommen war, und eigentlich spürte er ihn immer noch; jetzt vielleicht sogar stärker denn je. Vielleicht war es eben nicht nur die Faszination eines uralten Originals, die diese Statuen und Bilder ausstrahlten. Mogens sah sich schaudernd nach rechts und links um, aber er war mit einem Male fast froh, nicht sehr viel mehr als verschwommene Schatten erkennen zu können.
    Sie waren dem Tor mittlerweile nahe genug gekommen, um Einzelheiten zu erkennen. Mogens hatte es bisher fastkrampfhaft vermieden, direkt dorthin zu sehen, schon aus Angst, den vergessenen Schrecken der vergangenen Nacht wieder zu begegnen. Nun aber ging es nicht mehr anders. Mogens brachte all seinen Mut zusammen und zwang sich, geradeaus nach vorne zu blicken.
    Die allgemeine Zerstörung hatte auch vor diesem Teil der Kammer nicht Halt gemacht, auch wenn die schlimmsten und sichtbarsten Beschädigungen vielleicht nicht einmal unmittelbar auf das Erdbeben zurückzuführen waren. Die Treppe mit ihren sonderbar flachen Stufen war geborsten und mit Felstrümmern und heruntergefallenen Steinen übersät. Einer der gewaltigen Stützpfeiler war umgefallen, der andere stand noch, wirkte aber sonderbar gestaucht und schien sich nach unten deutlich zu verdicken. Die beiden riesigen, dämonischen Wächter, die rechts und links des Tores gestanden hatten, waren von ihren Sockeln gestürzt und in tausend Stücke zerborsten, was Mogens mit einem Gefühl vollkommen unwissenschaftlicher Erleichterung erfüllte. Er versuchte sich einzureden, dass der Grund dafür hauptsächlich in Miss Preusslers Anwesenheit zu suchen war, die spätestens beim Anblick dieser grotesken, krakenköpfigen Gestalten kaum noch daran geglaubt hätte, es mit fünftausend Jahre alten Artefakten aus dem Reich der Pharaonen zu tun zu haben. Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Auch ihm selbst hatte schon die bloße Erinnerung an die monströsen, übermenschlich großen Gestalten fast körperliches Unbehagen bereitet. Er war froh, ihnen nicht mehr gegenübertreten zu müssen.
    Es war jedoch nicht das Erdbeben, das die beiden Figuren zerstört hatte. Vielmehr hatte etwas das Tor, das sich nach innen öffnete, mit solcher Gewalt

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