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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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in dieselbe Richtung schwenkte und nach einem kurzen Augenblick auch Mogens und Miss Preussler.
    Selbst die vereinigten Lichtbündel reichten kaum aus, auf der anderen Seite mehr als vage Schemen aus der Dunkelheit zu reißen. Mogens glaubte einen verschwommenen Lichtreflex zu erkennen, vielleicht die Stufen, die hinauf zu dem monströsen Tor und seinen gigantischen Wächterstatuen führte, vielleicht auch nur ein Trümmerstück – was, dachte er erschrocken, wenn das Beben das Tor verschüttet hatte? Aber das tanzende Licht erschuf auch dort Bewegung, wo keine sein sollte, und seine Fantasie drohte schon wieder außer Kontrolle zu geraten.
    Graves schwenkte seine Laterne wieder zur Seite, sodass ihr Lichtschein sich den Weg zurücktastete und schließlich auf der anderen Seite der Halde zur Ruhe kam. Tom erhob sich, ohne dass es einer weiteren Aufforderung bedurfte, huschte geduckt und nahezu lautlos nach unten und hob sein Gewehr, um die Schwärze jenseits des zitternden Lichtkreises zu bedrohen.
    »Miss Preussler«, sagte Graves.
    »Ja, ich weiß – meine unwiderruflich letzte Chance, umzukehren«, antwortete sie, während sie sich bereits schnaubend in die Höhe stemmte. »Sie erwähnten es bereits.«
    Graves schien wohl endgültig kapituliert zu haben, denn er zuckte nur beiläufig mit den Schultern und eilte dann hinter Tom her, und Miss Preussler streckte die Hand aus, um Mogens aufzuhelfen. Jetzt war nicht der Moment für Stolz, ganz davon abgesehen, dass sich die Schnitte in seiner Seite und seinem Oberschenkel den allerunpassendsten aller Augenblicke ausgesucht hatten, um sich mit pochenden Schmerzen wieder zurückzumelden, sodass er das Angebot dankbar annahm und ohne Überraschung feststellte, wie wenig Mühe es ihr machte, ihn hochzuziehen.
    »Ich wünschte, Sie würden auf Doktor Graves hören«, sagte er. »Dieses Mal hat er ausnahmsweise Recht, Miss Preussler.«
    »Und Sie mit diesem schrecklichen Menschen allein lassen?«, antwortete sie. »Ganz gewiss nicht.«
    »Vielen Dank für deine Hilfe, Mogens«, sagte Graves spöttisch. »Aber wir sollten jetzt trotzdem weitergehen. Und mach dir keine Sorgen: Sollten wir dieser Ungeheuer mit unseren Gewehren nicht Herr werden, hetzen wir einfach Miss Preussler auf sie.«
    Mogens beendete das sinnlose Gespräch, indem er mit balancierend ausgebreiteten Armen die Halde hinunterschlitterte, ebenso schnell wie Graves und Tom zuvor, aber zu seinem Leidwesen nicht einmal annähernd so leise. Seine Bewegung löste eine ganze Lawine winziger Steinchen und Trümmerstücke aus, die ihn polternd ein- und überholten und ein nicht enden wollendes klickendes, kollerndes und wisperndes Echo in der lastenden Dunkelheit ringsum wachrief. Mogens verspürte ein kurzes, aber heftiges Gefühl von Entsetzen, als er einen fast faustgroßen Stein beobachtete, der in einen der Risse im Boden rollte und einfach darin verschwand, und das ohne den mindesten Laut. Bisher war er davon ausgegangen, dass dieser Tempel aus dem massiven Fels herausgemeißelt war und sich der Boden unter ihren Füßenfest und solide bis zum Mittelpunkt der Erde fortsetzte – aber woher wusste er das eigentlich?
    »Zurückbleiben«, sagte Graves. »Und leise – bitte.«
    Sie gingen weiter, und Mogens bemühte sich tatsächlich, die Füße möglichst leise aufzusetzen, um nicht noch mehr überflüssige Geräusche zu verursachen, obwohl er das Gefühl hatte, das Hämmern seines Herzens allein müsse schon ausreichen, um die Kammer endgültig zum Einsturz zu bringen.
    Und er glaubte auch nicht, dass es einen Unterschied machte. Die Ghoule waren nicht hier. Hätten die Ungeheuer tatsächlich irgendwo in der Dunkelheit hier unten auf sie gelauert, wären sie langst über sie hergefallen.
    Vor ihnen stolperte Tom über ein Trümmerstück, das er in der Dunkelheit übersehen hatte. Er fing sich rasch wieder, ohne dass es zu einem größeren Unglück kam, stieß aber einen lautstarken Fluch aus und warf fast im gleichen Augenblick einen um Verzeihung heischenden Blick zu Miss Preussler zurück, den diese jedoch ebenso wenig zur Kenntnis zu nehmen schien wie seine Entgleisung zuvor. Ihre Aufmerksamkeit galt vielmehr dem, worüber Tom gestolpert war: der oberen Hälfte einer zerbrochenen Statue, die einen Menschen mit einem stilisierten Raubvogelkopf zeigte.
    »Das ist … unheimlich«, sagte sie zögernd. »Eine faszinierende Arbeit, aber irgendwie auch unheimlich. Welches Volk hat so etwas gemacht?«
    »Es

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