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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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allzu ferner Zukunft herausfinden würde. Aber ein sich noch dazu heftig wehrendes Opfer von Miss Preusslers Gewicht und Körpermaßen gegen seinen Willen dort hinunterzuschleppen, traute er nicht einmal den Ghoulen zu.
    Auch Miss Preussler antwortete nicht sofort, sondern blickte einen Moment lang mit zweifelndem Gesicht in den vermeintlichen Treppenschacht hinab.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie zögernd. »Es ging alles sehr schnell, und …« Sie unterbrach sich, schüttelte den Kopf und verbesserte sich dann mit plötzlich entschiedener, fester Stimme: »Nein. Ich bin sicher. Es geht dort hinunter.«
    »Wenn Sie es sagen …«, murmelte Graves wenig begeistert. Dennoch ließ er seinen Lichtstrahl noch einmal und sehr langsam durch den großen, unregelmäßig geformten Raum schweifen. Aber da war nichts – nur rauer, rissiger Fels, auf dem hier und da Nässe glänzte, vielleicht auch Salzkristalle, wenn man den sonderbaren Meeresgeruch bedachte, der in der Luft lag. Die Kammer kam Mogens immer sonderbarer vor. Warum hatte man dieses aufwendige Tor mit seinen beiden monströsen Wächterstatuen erschaffen, wenn dahinter … nichts war?
    »Wir brauchen ein Seil«, sagte Graves.
    Tom lehnte sein Gewehr gegen die Wand, machte aber keine Anstalten, seinen Rucksack abzusetzen oder irgendwie hinein zu greifen, sondern begann wortlos in den Schacht hinunterzuklettern.
    »Tom?«, fragte Graves.
    »Einen Moment, Doktor Graves«, antwortete Tom zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Lassen Sie mich was überprüfen.«
    Graves wirkte nicht begeistert, aber er schwieg, und auch Mogens enthielt sich jeden Kommentars, sog aber plötzlich und erschrocken die Luft ein, als Tom den Halt verlor und ein ganzes Stück absackte. Seine Finger fanden jedoch sofort wieder Halt an dem rauen Fels. Er hielt einen Moment inne, lächelte Mogens beruhigend zu und kletterte dann noch vorsichtiger weiter. Schon nach einem Augenblick waren auch Kopf und Schultern in der Tiefe verschwunden, und nur einen Atemzug später auch sein überdimensionaler Tornister. »Dacht ich’s mir doch«, drang seine Stimme aus dem Schacht hervor.
    »Was?«, fragte Graves.
    »Weiter unten wird es leichter.«
    Auch Mogens beugte sich mit klopfendem Herzen vor und spähte an Graves vorbei und direkt in Toms Gesicht, der sich keine zwei Meter unter ihnen befand und sich mit leicht gespreizten Beinen und durchgedrückten Armen an den Wänden des Schachtes abstützte, wie ein Bergsteiger, der einen Felskamin hinabklettert.
    »Hier ist ein Knick«, sagte er. »Danach wird es viel einfacher. Vielleicht, wenn Miss Preussler als Erste …?«
    »Wenn sie es denn wirklich will …«, sagte Graves.
    Miss Preussler streifte ihn nur mit einem verächtlichen Blick, drehte sich um und ließ sich schnaufend auf Hände und Knie hinabsinken, dann begann sie mit dem rechten Bein nach unten zu tasten. Mogens wusste nicht, wie und vor allem wo Tom sie festhielt – und er wollte es auch gar nicht so genau wissen –, aber irgendwie gelang es ihm wohl, denn als Graves und er nach ihren ausgestreckten Armen griffen und sie festhielten, sank sie nur ganz allmählich in den Schacht hinab; auch wenn Mogens dabei das Gefühl hatte, dass ihm die Arme aus den Schultergelenken gerissen wurden. Sie hörten Tom ächzen, dann jedoch rief er: »Alles klar. Sie können loslassen.«
    Mogens gehorchte nur zu gern. Die Schnittwunden in seiner Seite pochten wie wild, als er erschöpft die Arme sinken ließ und zurücktrat, und er spürte etwas Nasses und Warmes an seiner Brust hinunterlaufen. Mindestens einer der kaum verheilten Risse war wieder aufgebrochen. Es tat höllisch weh.
    Graves betrachtete ihn einen Moment kritisch. »Schaffst du es noch?«, fragte er.
    »Bestimmt«, antwortete Mogens kurzatmig. »Ich brauche nur … einen Augenblick …«
    Graves schien dazu seine eigene, etwas andere Meinung zu haben, aber er beließ es bei einem wortlosen Achselzucken und begann auf die gleiche Weise wie Miss Preussler zuvor in den Schacht hinunterzusteigen. Nur deutlich schneller.
    Als er sich an dem rauen Felsen festklammerte, verrutschte einer seiner Handschuhe. Nicht sehr weit, und auch nur für einen ganz kurzen Moment, sodass Mogens nur einen einzelnen Blick darunter werfen konnte.
    Doch das war schon eindeutig mehr, als er eigentlich sehen wollte.
    Er konnte nicht einmal genau sagen, was er sah. Keine Haut, und ganz sicher auch kein menschliches Fleisch. Der schwarze Handschuh rollte

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