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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Becher Kaffee ein – es war der dritte, wenn Mogens richtig gezählt hatte, möglicherweise aber auch schon der vierte – und reichte ihn Mogens, bevor er sich neben ihn auf die Bettkante setzte. Mogens nahm einen tiefen Schluck und schloss beide Hände um den emaillierten Kaffeebecher, aber weder die innere noch die äußere Wärme zeitigten die erhoffte Wirkung. Irgendetwas in ihm schien zu Eis erstarrt zu sein, endgültig und unwiderruflich.
    »Auf’m Friedhof«, vermutete Tom.
    Mogens nickte. Er nahm einen weiteren Schluck. Der Kaffee war so heiß, dass er sich fast die Zunge verbrannte, aber das Gefühl, innerlich zu Eis zu erstarren, wurde eher noch schlimmer. »Ja«, sagte er. »Ich habe die ganzen Jahre versucht, mir einzureden, dass alles nur eine schreckliche Halluzination gewesen ist. Der Schock über Janices Tod, oder vielleicht auch ausgelöst von dem Schlag auf den Hinterkopf. So etwaskommt vor, weißt du? Menschen verlieren ihr Gedächtnis oder glauben sich an Dinge zu erinnern, die sie niemals erlebt haben.«
    »Ich hab davon gehört«, sagte Tom.
    »Aber gestern Nacht habe ich dieses Geschöpf gesehen! « Mogens’ Stimme wurde schrill. »Ich habe ihm gegenübergestanden, Tom, Auge in Auge! Und ich schwöre dir, es war dieselbe Kreatur, die ich damals auf dem Friedhof gesehen und für Graves gehalten habe und die Janice …« Seine Stimme versagte, aber Tom verstand ihn trotzdem. Er sagte zwar nichts, aber in seinen Augen erschien ein Ausdruck ehrlichen Mitgefühls.
    »Und was passierte dann?«, fragte er nach einer Weile. »Damals in Harvard. Ich meine: Hat man Ihre Freundin gefunden?«
    »Nein«, antwortete Mogens. Er nippte – diesmal vorsichtiger – wieder an seinem Kaffee und schluckte schwer, ehe er weitersprach. »So wenig wie Marc und Ellen. Nachdem ich erwacht war, hat man mir erzählt, dass der Stollen eingestürzt ist, in den dieses … Ding Janice gezerrt hat. Ich selbst bin nie wieder in dieses Mausoleum gegangen, aber ich habe gehört, dass sie sogar ein paar Yards weit gegraben haben, bis sie wieder aufhören mussten, weil der Tunnel einzustürzen drohte und es einfach zu gefährlich wurde. Sie haben keine Spur von ihr gefunden. Weder von Janice noch von den beiden anderen.«
    »Und Sie?«, fragte Tom mitfühlend.
    »Was glaubst du?«, antwortete Mogens bitter. »Für die Polizei war der Fall ganz eindeutig. Sie hatten das aufgebrochene Schloss und den geöffneten Sarg. Zwei junge Leute, die sich nachts auf dem Friedhof treffen und von denen einer eine allgemeine Vorliebe für alle möglichen obskuren Dinge hat …« Er hob mit einem angedeuteten Seufzen die Schultern. »Und dazu noch die Kautschukmaske, die sie in meiner Jackentasche fanden. Nein, Tom – für den ermittelnden Polizeibeamten war der Fall schon aufgeklärt, bevor ich das Bewusstsein zurückerlangte.«
    »Und Sie haben niemandem von diesem … Geschöpf erzählt?«, fragte Tom.
    Mogens seufzte noch tiefer. »Das war mein schwerster Fehler, Tom. Ich habe davon erzählt, aber das hat alles nur noch viel schlimmer gemacht. Niemand hat mir geglaubt. Weder die Polizei noch meine Kollegen und Professoren oder die, die ich für meine … Freunde gehalten habe.« Er machte ein leises, bitteres Geräusch, von dem er selbst nicht genau wusste, ob es ein Lachen oder das genaue Gegenteil war. »Die meisten hielten es für eine dumme Ausrede. Einige hielten mich schlichtweg für verrückt. Niemand hat mir geglaubt. Ich glaube, ich hätte es auch nicht, wäre es andersherum gewesen.«
    »Aber Graves!«, entfuhr es Tom. »Ich … ich meine: der Doktor! Er muss das Monster doch auch gesehen haben?«
    »Das dachte ich auch«, sagte Mogens leise. »Aber da habe ich mich wohl geirrt.«
    Tom sah ihn zweifelnd an. Er sagte nichts, aber Mogens spürte, dass es ihm schwer fiel, dieser letzten Bemerkung zu glauben. Und warum sollte er auch? Sie war gelogen. Die Wahrheit war, dass Graves abgestritten hatte, in dieser Nacht auch nur auf dem Friedhof gewesen zu sein. Die Wahrheit war, dass es Graves gewesen war, der den untersuchenden Polizeibeamten von seiner Obsession für alles Okkulte und Übersinnliche erzählt hatte, und die Wahrheit war, dass er, Mogens, vier Monate in einer Gefängniszelle verbracht hatte, und nur der Tatsache, dass die Universität einen Skandal gescheut und interveniert hatte, hatte er es zu verdanken, dass er sich nicht, aller seiner akademischen Grade entkleidet, anschließend auf der Anklagebank eines

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