Anubis - Roman
erinnern, was geschehen war, nachdem er sich herumgedreht und so unversehens dem Schrecken aus seiner Vergangenheit gegenübergestandenhatte! Aber da war nichts. Seine Erinnerungen endeten mit dem Anblick jenes grässlichen, wolfsschnäuzigen Gesichts, und das Nächste, was er gesehen hatte, war Tom, der auf einem Schemel neben seinem Bett saß und geduldig darauf wartete, dass er erwachte.
Die Tür ging auf, und Tom kam zurück. Mogens erinnerte sich an den lautstarken Streit, dessen Ohrenzeuge er zumindest zum Teil geworden war, und versuchte in Toms Gesicht zu lesen, aber es gelang ihm nicht. »Was war los?«, fragte er geradeheraus. Als Tom auch darauf nur mit einem ausweichenden Schulterzucken antwortete, fügte er hinzu: »Du bekommst doch meinetwegen hoffentlich keinen Ärger mit Graves?«
»Nein«, antwortete Tom. »Es ist einer von den Maulwürfen.«
Im ersten Moment sah Mogens ihn nur verständnislos an, aber dann erinnerte er sich an das Gespräch, das Tom und er gestern im Wagen geführt hatten.
»Einer der Geologen?«
»Sie schleichen ständig um das Lager und auf dem Friedhof herum«, bestätigte Tom. »Doktor Graves ist sehr wütend darüber. Einmal hat er sogar damit gedroht, den nächsten von ihnen zu erschießen, den er auf dem Grabungsfeld erwischt.« Er hob die Schultern. »Ich glaube zwar nicht, dass er das wirklich tun würde, aber es klang ziemlich überzeugend.«
Zumindest in einem Punkt stimmte Mogens mit Tom überein: Auch er glaubte nicht, dass Graves’ Drohung, auf die Geologen zu schießen, ernst gemeint gewesen war. Jonathan Graves verfügte über weit subtilere Mittel, seine Ziele zu erreichen.
»Möchten Sie noch ’nen Kaffee, Professor?«, fragte Tom.
Mogens reichte ihm zwar den leeren Becher, schüttelte aber zugleich auch den Kopf und bedeutete ihm mit einer Geste, ihn auf den Tisch zu stellen. »Ich glaube, ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt, Tom«, sagte er. »Ohne dich wäre ich jetzt nicht mehr am Leben.«
»Unsinn«, widersprach Tom impulsiv, machte für eine Sekunde ein erschrockenes Gesicht und verbesserte sich dannhastig und mit einem verlegenen Lächeln: »Ich meine: Wie kommen Sie denn darauf?«
»Nun, wenn mich dieses Ungeheuer …«
»Aber da war kein Ungeheuer, Professor«, fiel ihm Tom ins Wort.
»Was soll das heißen, kein Ungeheuer!«, sagte Mogens. »Ich habe es doch genau gesehen!«
Tom antwortete nicht gleich, und als er es tat, sprach er mit leiserer, veränderter Stimme und ohne Mogens dabei ins Gesicht zu sehen. »Ich fürchte, ich bin es, der sich bei Ihnen entschuldigen muss, Professor«, sagte er. »Sie haben gestern Abend kein Ungeheuer gesehen, sondern mich.«
»Dich?« Mogens schüttelte heftig den Kopf. »Ganz bestimmt nicht, Tom. Ich weiß, was ich gesehen habe. Ich wollte das Licht einschalten, aber es funktionierte nicht, und da habe ich mich daran erinnert, dass du gesagt hast, ich bräuchte nur nach dir zu rufen, wenn ich etwas wollte. Also bin ich nach draußen gegangen, um nach dir zu suchen. Dabei habe ich Schritte gehört und einen Schatten gesehen. Jemand ist durch das Lager geschlichen.«
»Wir schalten den Generator aus, sobald der Letzte den Tempel verlassen hat«, sagte Tom. »Er benötigt ’ne Menge Treibstoff, der eigens aus Frisco hergeschafft werden muss.« Er hob die Schultern. »Ich hätt Ihnen das sagen sollen. Verzeihen Sie.«
Als ob das jetzt eine Rolle spielte! »Ich habe jemanden gesehen«, beharrte Mogens. »Und ich bin ihm nachgegangen. Er ist durchs Lager geschlichen und hinaus zum alten Friedhof!«
»Das war ich«, sagte Tom.
Mogens starrte ihn an. »Du?«
»Ich mach jeden Abend eine Runde durch das Lager«, bestätigte Tom. »Manchmal sogar zusätzlich noch mal in der Nacht. Manchmal schleichen Neugierige hier rum. Kinder aus der Stadt oder auch Indianer, die alles stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist, um es gegen Schnaps einzutauschen. Und auch Leute mit … weniger harmlosen Absichten. Manchmal geh ich auch hinaus zum alten Friedhof, um dort nach dem Rechten zu sehen. Gestern Abend war ich auch dort. Ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, dass mir jemand folgt, also hab ich mich hinter einem alten Grabstein versteckt und gewartet. Und als Sie dann näher gekommen sind …« Er machte ein schuldbewusstes Gesicht und sah Mogens mit sichtlicher Kraftanstrengung nun doch in die Augen. »Es tut mir wirklich Leid, Professor. Wenn ich geahnt hätte, dass ich Sie so erschrecke, dann
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