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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hätt ich mich früher bemerkbar gemacht.«
    »Das ist lächerlich!«, sagte Mogens. Seine Stimme zitterte. »Warum tust du das, Tom? Um mich zu beruhigen? Das brauchst du nicht. Ich weiß, was ich gesehen habe!«
    Aber wusste er das wirklich? Was, wenn Tom Recht hatte und tatsächlich er es gewesen war, den er gesehen hatte, und nicht die Bestie aus seiner Vergangenheit? Dann müsste er zugeben, dass er sich wie eine hysterische alte Jungfer vor einem Schatten erschreckt hatte und in Ohnmacht gefallen war.
    »Ich weiß, was ich gesehen habe«, beharrte er. Selbst in seinen eigenen Ohren klang es trotzig, nicht mehr wirklich überzeugt.
    »Das bezweifle ich nicht«, antwortete Tom. »Aber könnte es nicht auch so gewesen sein: Sie haben diese schreckliche Geschichte erlebt, vor fast zehn Jahren. Doktor Graves ist nicht Ihr Freund, und allein ihn wiedergesehen zu haben muss all die schlimmen Erinnerungen wieder in Ihnen geweckt haben – und dazu noch die ganzen unheimlichen Sachen, die da unten im Tempel sind und von denen ein normaler Mensch alleine schon Albträume bekommt.«
    »Wofür hältst du dich eigentlich?«, fragte Mogens böse. »Für einen Psychiater?«
    »Und dann haben Sie Schritte gehört und sind mir nachgeschlichen. Noch dazu auf einem Friedhof«, fuhr Tom ungerührt fort. »Und plötzlich waren all die Erinnerungen wieder da. Ihr Zorn auf den Doktor, dem Sie nie verziehen haben, dass er Sie so im Stich gelassen hat. Der Schmerz über den Verlust Ihrer Freundin, und die Erinnerung an diese furchtbare Nacht – und dann noch dieser Friedhof, der sogar mir manchmal unheimlich ist.« Er schüttelte seufzend den Kopf. »Als ich so dumm war, wie aus dem Nichts vor Ihnen aufzutauchen, da mussten Sie ja dieses … Ding sehen. Mir wär es jedenfalls so ergangen. Und ich glaube, jedem anderen auch.«
    Mogens starrte den jungen Mann aus aufgerissenen Augen an. Er konnte nicht sagen, was ihn mehr schockierte: die zwingende Logik, die aus Toms Worten sprach, oder die Leichtigkeit, mit der der Junge seine Situation erkannt und analysiert hatte. Ein ungebildeter Waisenjunge vom Lande, der nicht einmal wusste, wie alt er war? Lächerlich! Wer zum Teufel war dieser Junge?
    Mogens stellte die Frage laut.
    »Sie schmeicheln mir, Professor«, antwortete Tom. »Aber diesmal irren Sie sich. Ich bin nicht sehr klug. Aber ich bin ein guter Beobachter, und ich hab ’ne Menge Zeit, um nachzudenken.«
    »Und du liebst es, Spielchen zu spielen«, fügte Mogens finster hinzu. Aber es war sonderbar: Es gelang ihm einfach nicht, wirklich zornig auf Tom zu werden. Nicht einmal jetzt. So zwingend Toms Argumentation sich im ersten Moment auch anhörte, wusste er doch, dass sie nicht stimmte. Aber etwas in ihm wollte, dass sie wahr war.
    »Nein«, erwiderte Tom lachend. Mogens hätte den Finger nicht auf den Unterschied legen können, aber von einem Moment auf den anderen war er wieder der schüchterne blasse Junge, den noch deutlich mehr Jahre vom Mannsein als von der Kindheit trennten und der aus großen neugierigen Augen in eine Welt blickte, die er nicht verstand, und dem er deutlich mehr Vertrauen entgegenbrachte, als vielleicht gut war. »Ich mach mir nur Sorgen um Sie, Professor. Ich weiß, es steht mir nicht zu, aber …« Er suchte einen Moment vergeblich nach Worten und rettete sich schließlich in ein Schulterzucken. »Sie sind anders als Doktor Graves und die anderen.«
    »Anders?«
    Die Tür wurde aufgerissen, und Graves stürmte herein. Sein Gesicht war dunkel vor Zorn, und er warf die Tür mitsolcher Wucht hinter sich zu, dass Tom auf seinem Stuhl erschrocken zusammenfuhr und aufsprang.
    »Verdammte Schlammwühler!«, polterte er. »Nicht einmal …« Er stockte, sowohl mitten im Satz als auch in der Bewegung. Sein Kopf bewegte sich rasch von rechts nach links und wieder zurück, und Mogens war klar, dass er mit einem einzigen Blick nicht nur den gesamten Raum, sondern auch die Situation erfasste. Am Ende der Bewegung blieb sein Blick auf Mogens’ schlammverkrusteten Schuhen und den verdreckten Kleidern hängen, die in einem unordentlichen Haufen neben seinem Bett auf dem Boden lagen.
    »Hast du das Lager verlassen, Mogens?«, fragte er. Ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr er zu Tom herum. Der Zorn in seinen Augen wurde nicht wirklich stärker, nahm aber eine andere Qualität an.
    »Tom!«, schnappte er. »Ich hatte dich angewiesen, Professor VanAndt dahingehend zu unterrichten, dass niemand ohne mein

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