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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zu schütteln, aber selbst für diese winzige Bewegung fehlte ihm beinahe die Kraft, sodass es bei einer bloßen Andeutung blieb.
    »Es klang auch nicht wirklich nach dir, Mogens«, pflichtete ihm Graves bei. Es gelang ihm irgendwie, zwar weiter spöttisch zu klingen, aber zugleich auch so etwas wie ein Schaudern in seine Stimme zu legen. »Großer Gott, Mogens – was war das? So etwas habe ich nie zuvor gehört.«
    Mogens antwortete nicht sofort, aber sein Zögern lag nicht nur daran, dass seine Kehle wundgescheuert war und schmerzte. Was auch immer er mit seinen Worten geweckt hatte, es war noch immer da. »Ich weiß es nicht«, murmelte er. »Ich bin nicht einmal sicher, dass ich das war, Jonathan. Es war …« Seine Stimme versagte, und er spürte, wie er am ganzen Leib zu zittern begann. Vergeblich versuchte er, dem Beben seiner Hände und Knie Einhalt zu gebieten. Etwas hatte ihn berührt, und unter dieser Berührung schien ein Teil von ihm gleichsam zu Eis erstarrt zu sein.
    »Ich weiß nicht, was es war«, murmelte er. »Irgendetwas …« Er suchte nach Worten, aber er fand keine. Vielleicht weil Worte gleich welcher menschlichen Sprache nicht ausreichten, um das grenzenlose Entsetzen zu beschreiben, das er empfunden hatte. Das er noch empfand.
    »… hat Besitz von dir ergriffen?«, schlug Graves vor, als Mogens nicht weitersprach.
    »Warum … warum sagst du das?«, fragte Mogens stockend.
    »Ist es etwa nicht wahr?«, gab Graves zurück. Er legte den Kopf schräg. Mogens konnte sein Gesicht noch immer nicht erkennen, da Graves aus irgendeinem Grund sorgsam darauf bedacht schien, außerhalb des Lichtscheins zu bleiben, aber seine Stimme klang auf fast obszöne Weise erregt.
    »Unsinn«, widersprach Mogens. Es klang lahm. Wen wollte er damit überzeugen?
    Graves jedenfalls nicht, denn der begann plötzlich mit beiden Händen zu gestikulieren, und seine Stimme wurde noch einmal eine Spur schriller. »Ja, begreifst du denn nicht, Mogens? Du hast es selbst gesagt: Niemand kann eine vollkommen unbekannte Sprache erlernen, in nur drei Tagen! Dir ist das gelungen! Meinst du nicht auch, dass hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht?«
    »Und?« Er wusste längst, worauf Graves hinauswollte. Er hatte es gewusst, noch bevor Graves auch nur das erste Wort ausgesprochen hatte, aber er hatte sich geweigert, diesem Gedanken auch nur das Recht auf Existenz zuzubilligen – von Glaubwürdigkeit ganz zu schweigen –, und er tat es noch immer.
    »Mogens, verstehst du denn nicht? Das ist der Beweis: das, wonach du zeit deines Lebens gesucht hast! Was gerade geschehen ist, das ist nicht mit unserer Wissenschaft und Logik zu erklären! Du bist im Recht, Mogens! Du hattest die ganze Zeit über Recht, und die anderen waren die Narren, nicht du! Da ist etwas außerhalb unseres Verständnisses.Wenn das, was wir gerade erlebt haben, keine Magie war, dann weiß ich nicht, was man als solche bezeichnen soll!«
    »Ich will davon nichts hören«, antwortete Mogens.
    Graves lachte, aber auch dieser Laut klang eher wie ein Bellen in Mogens’ Ohren. »Ich verstehe dich nicht, Mogens«, sagte er. »Du kommst mir vor wie ein Mann, der sein gesamtes Leben damit zugebracht hat, Stöcke aneinander zu reiben, um damit Feuer zu machen. Und als es ihm endlich gelungen ist, starrt er nur die Flammen an und weigert sich zu glauben, was er sieht. Gib Acht, dass du dich nicht verbrennst!«
    »Ja, vielleicht hast du Recht, Jonathan«, murmelte Mogens. Und vielleicht hatte er sich schon verbrannt.
    Graves sog mit einem scharfen Laut die Luft zwischen den Zähnen ein. Als er weitersprach, klang seine Stimme wie die eines Mannes, der vergeblich versucht, einem störrischen Kind etwas zu erklären und allmählich zu begreifen beginnt, wie hoffnungslos zum Scheitern verurteilt dieser Versuch ist.
    »So begreife doch! Du hast gewonnen! Wir beide haben gewonnen! Wir stehen ganz kurz vor dem Ziel!«
    Aber vielleicht sollten wir dieses Ziel nicht erreichen, dachte Mogens schaudernd. Vielleicht durften sie es nicht. Er schwieg.
    »Wir können es schaffen, Mogens!«, fuhr Graves fort. »Ich spüre es. Komm! Komm!« Er machte eine Bewegung, wie um nach Mogens zu greifen und ihn mit sich zu zerren, brach die Geste dann aber im allerletzten Moment ab, als wäre ihm gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass er sich in das Licht hineinbewegen musste, um ihm nahe genug zu kommen, um sein Vorhaben auszuführen. Stattdessen drehte er sich auf dem Absatz

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