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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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überhaupt noch fähig war: Er fuhr auf dem Absatz herum und rannte los, so schnell er nur konnte.
    »VanAndt!«, kreischte die schrille, gurgelnde Stimme hinter ihm. »Komm zurück! Ich befehle es dir! Du bist es mir schuldig!«
    Mogens rannte nur noch schneller. Die Petroleumlampe behinderte ihn, also schleuderte er sie in seiner Panik beiseite. Sie flog drei oder vier Meter weit und zerbarst dann in einer Wolke aus Glassplittern und auseinander spritzendem brennendem Petroleum. Rotgelber Feuerschein trieb die dräuende Dunkelheit für einen Moment zurück, und Mogens tat etwas, was er schon im allernächsten Moment bitter bereuen sollte: Er lief noch schneller, drehte aber im Rennen den Kopf und sah zu Graves zurück.
    Graves hatte aufgehört, wüste Drohungen hinter ihm herzukreischen, und sich wieder dem Tor und den beiden gewaltigen steinernen Götzenbildern zugewandt und die Arme in die Höhe gerissen, sodass er Mogens an den Priester eines uralten heidnischen Kultes erinnerte, der seine bizarren Götter anbetete. Im hektisch flackernden Licht des brennenden Petroleums sah es mehr denn je aus, als bewegten sich die Tentakel der beiden gewaltigen Götzenbilder, ja, als versuchten sie gar zur Gänze aus ihrer Erstarrung zu erwachen und sich von ihren gemeißelten Sockeln zu erheben, und auch mit Graves selbst schien eine neuerliche, noch viel schrecklichere Veränderung vonstatten gegangen zu sein, denn er …
    Mogens’ Fuß verfing sich an einem Hindernis. Ein scharfer Schmerz schoss durch seinen Knöchel, und noch während er von seinem eigenen Schwung herum- und zugleich weiter nach vorne gerissen wurde, wusste er, dass er stürzen würde. Verzweifelt und mit wild rudernden Armen versuchte er seinen Fall noch irgendwie abzufangen, aber es war vergeblich.
    Der Aufprall auf den steinernen Boden war hundertmal schlimmer, als er erwartet hatte. Mogens hatte das Gefühl, einen Hammerschlag mitten ins Gesicht bekommen zu haben. Irgendetwas in seinem Mund zerbrach, und er schmeckte Blut. Zugleich wurde sein Bein mit grausamer Wucht herumgerissen und im Gelenk verdreht, denn sein rechter Fuß steckte noch immer unbarmherzig in der Spalte fest, in der er sich verfangen und so seinen Sturz ausgelöst hatte. Der Schmerz war entsetzlich, zugleich aber seltsam irreal, als beträfe er ihn schon gar nicht mehr selbst.
    Er verlor nicht das Bewusstsein, aber alles wurde plötzlich leicht und gleichsam unwirklich, und selbst das kalte Entsetzen, das ihn gepackt hatte, verebbte allmählich zu einem blassen Echo irgendwo am Rande seines schwächer werdenden Bewusstseins. Blut lief seine Kehle hinab und drohte ihn zu ersticken. Der Boden, auf dem er lag, schien sich zu winden wie ein verwundetes Tier, und das Pochen seines eigenen Herzens nahm in seinen Ohren die Lautstärke dröhnender, unrhythmischer Hammerschläge an.
    Unter Aufbietung jedes bisschen Willens, das er noch in sich fand, drängte er die drohende Ohnmacht zurück, presste die Handflächen gegen den Boden und stemmte sich in die Höhe. Sein Fuß reagierte mit einer wütenden Schmerzattacke, und Mogens biss die Zähne zusammen, ließ sich wieder ein Stück zurücksinken und versuchte den Fuß aus der steinernen Falle zu ziehen. Es ging, aber diesmal war der Schmerz alles andere irreal, sondern so grausam, dass ihm übel wurde. Sein Knöchel musste gebrochen sein. Er war gefangen, hilflos eingesperrt in einem steinernen Grab tief unter der Erde – und dies zusammen mit Graves, der sich mit jeder Sekunde mehr in ein Ungeheuer verwandelte.
    Mogens drängte die Panik zurück, die seine Gedanken endgültig in einen schwarzen, sich immer schneller und schneller drehenden Strudel zu reißen drohte, und wälzte sich stöhnend auf den Rücken. Ein gut halbmetergroßer Steinquader stürzte von der Decke und zerbrach unmittelbar neben ihm in Stücke. Ein Hagel winziger, rasiermesserscharfer Steinsplitter überschüttete sein Gesicht und biss wie mit rot glühenden Rattenzähnchen in seine Haut. Mogens brüllte vor Schmerz und riss instinktiv die Hände vor das Gesicht, umsich vor weiteren Attacken zu schützen, war aber zugleich vor Entsetzen auch wie gelähmt. Das dumpfe, trommelnde Dröhnen hielt an, aber Mogens begriff auch endlich, dass es nicht das Geräusch seines außer Kontrolle geratenen Herzschlags war, das er hörte. Rings um ihn herum regneten Steine von der Decke. Der ganze Raum schien sich zu schütteln wie ein Schiff in stürmischer See. Ein unheimliches

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