Anwältin der Engel
Bulldozer rumpelten an Bree vorbei, als sie durch den Haupteingang fuhr.
Lindquist empfing sie in der Eingangshalle und bestand darauf, ein Namensschildchen mit Foto für sie herzustellen, bevor er sie ins Gebäude führte. »Zum Schutz gegen Industriespionage«, erklärte er. »Bert war da übrigens ganz meiner Meinung. Die Sicherheitsvorkehrungen hier könnten es mit denen von Fort Knox aufnehmen.«
Das nahm Bree ihm durchaus ab. Es wimmelte von bewaffneten Wächtern, überall hingen Überwachungskameras, die surrend hin und her schwenkten, als Lindquist sie in die Richtung des Labors führte.
Lindquists Büro wirkte ebenso nüchtern-funktionell wie der ganze Mann selbst. Ein stahlgrauer Teppich bedeckte den Fußboden. Das Mobiliar war aus Chrom, Glas und schwarzem Leder gefertigt. Eine der Wände bestand völlig aus Glas, sodass man in ein chemisches Labor blicken konnte. Die Klimaanlage musste so niedrig eingestellt sein, dass Bree wünschte, sie hätte einen Pullover angezogen. Nachdem er ihr an einem kleinen gläsernen Konferenztisch einen Platz angeboten hatte, drückte er auf einen Schalter. Leise senkten sich Jalousien herab und entzogen das Labor Brees Blick.
»Ich habe nicht viel Zeit«, begann Lindquist.
»Ich auch nicht.« Bree beugte sich nach unten und holte die Waren heraus, die sie vor zwanzig Minuten im Geschäft gekauft hatte. »Lindseys Vitaminkapseln«, sagte sie, »und noch etwas.« Sie stellte die Flasche mit denVitaminkapseln neben den einzigen Ziergegenstand im Raum, einen gläsernen Briefbeschwerer mit dem Logo von Marlowe’s. Anschließend warf sie die Spritze und einige kleine Flaschen auf den Tisch, die auf Lindquist zurollten und dann zu Boden fielen. »Nun, Onkel Jay? Das sind Lindseys Flaschen. Den Inhalt habe ich vor einer halben Stunde an ein Privatlabor in Atlanta geschickt. Was glauben Sie, was die Analyse ergeben wird?«
Er blickte mit absolut ausdrucksloser Miene auf die Flaschen. »Diese Kapseln enthalten Vitamin B12 und Vitamin B6, außerdem auch noch Vitamin D, E und C. Ich nehme sie selbst. Wie sie übrigens jeder, der zur Familie gehört, nimmt. Ihnen würden sie sicherlich auch guttun.« Er legte die Flaschen auf den Tisch. »Wir haben uns schon gedacht, dass sich Lindseys Vorrat wahrscheinlich auf dem Weg zu einem Labor in Atlanta befindet. Sind Sie deshalb hier, Miss Beaufort? Denn ich kann Ihnen garantieren...« Er beugte sich vor und fuhr mit zischender Stimme fort: »... garantieren , dass man in diesen Kapseln keine verbotenen Zutaten finden wird.«
»Das glaube ich gern«, erwiderte Bree ruhig. »Ich vermute, dass Sie und Ihr Schwager dem Kind verschiedene Antidepressiva verabreicht haben, um ihr Verhalten zu beeinflussen. Und diese Mittel sind ja auch nicht verboten. Was Sie getan haben, ist verachtenswert. Tückisch. Aber nicht illegal. Nicht, wenn es von Lindseys Arzt verschrieben wurde. Und der sind Sie . Wobei Sie von ihrem Vater unterstützt wurden ihrem rechtlichen Vormund und demjenigen, der für ihre Gesundheit verantwortlich war. Einige der Sachen, die Sie ihr gegeben haben, haben zweifellos gravierende Nebenwirkungen,besonders bei Patienten unter achtzehn Jahren. Daher die Blutentnahmen, nehme ich an.«
Lindquists Gesicht wurde rot vor Zorn. Er stand mit geballten Fäusten auf. »Sie haben ja keine Ahnung! Sie haben keine Ahnung, was für eine Plage dieses unausstehliche Kind , wie Sie sie nennen, für meine Schwester gewesen ist! Sie ist eine Teufelin! Ein Sprössling des Teufels!«
Bree, die Sprösslinge des Teufels besser zu erkennen vermochte als die meisten anderen Menschen, schüttelte den Kopf. »Sie hat es sich zur Gewohnheit gemacht, ein Leben am Rande zu führen, Dr. Lindquist. Das lässt sich nicht leugnen. Aber ich frage mich, ob ihr Leben nicht leichter gewesen wäre, wenn es in dieser Familie weniger um Disziplin und mehr um Zuneigung gegangen wäre. Haben Sie auch nur ein einziges Mal daran gedacht, ihr Hilfe von außen zukommen zu lassen? Und dass Sie dafür gesorgt haben, dass sie schweigt, indem Sie ihr etwas von einer Krankheit eingeredet haben...« Am liebsten hätte sie ihn angespuckt, unterließ es aber.
»Seien Sie nicht albern. Sie haben doch erlebt, wie sich die Medien auf diese Geschichte mit der Pfadfinderin gestürzt haben. Und sie ist tatsächlich krank. Sie ist ein bösartiger Schandfleck!
Leute wie wir leben in einem Glashaus, Miss Beaufort. Hier und da kann man vielleicht ein bisschen Druck ausüben, kann mal
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