Anwältin der Engel
Wogegen ich etwas habe, ist Ihr Übereifer.«
Cordy presste die Lippen zusammen, dachte einen Moment nach und sagte: »Da haben Sie vielleicht nicht ganz unrecht.« Cordy hatte viele gute Eigenschaften, nicht zuletzt die, dass sie nachgeben konnte, ohne irgendwie eingeschnappt zu sein. Sie lachte. »Dieses Mädchen wird sich ohnehin gewaltig reinreiten, sobald sie den Mund öffnet.«
»Glaub ich auch«, erwiderte Bree bedrückt. »Dann können wir also einen kleinen Deal machen?«
»Nur wenn das Mädchen vor laufender Kamera sein Vergehen zugibt.«
»Cordy!«
»Tut mir leid, aber das ist unerlässlich. Schließlich muss ich die hungrige Meute füttern. Die Bürger dieses Staates wollen erleben, wie sie zu Kreuze kriecht. Und ich will erleben, dass sie wenigstens ein bisschen Reue zeigt. Danach könnten wir dann eine Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit aushandeln. Vielleicht die Säuberung öffentlicher Toiletten. Wie bei diesem Model.«
»Ich werde mit ihr reden.« Bree streckte die Hand aus. »Danke, Cordy.«
Cordy lehnte sich über den Schreibtisch und umschloss Brees Hand mit ihren beiden Händen. »Ich habe in der letzten Zeit eine Menge über Sie gehört, Bree. Haben Sie schon mal daran gedacht, zu uns zu stoßen?«
»Ich?«, entgegnete Bree. »Im Ernst?« Sie merkte, dass sie rot wurde. Sie hatte gewaltigen Respekt vor den Aufgaben der Bezirksstaatsanwältin und dem Engagement, mit dem Cordy ihre Tätigkeit ausübte.
»Mir hat gefallen, wie Sie John Stubblefield beim Fall Skinner gezeigt haben, was eine Harke ist.«
»Wenn ich in den öffentlichen Dienst ginge, wüsste ich niemanden, für den ich lieber arbeiten würde als für Sie«, sagte Bree, was durchaus ehrlich gemeint war. »Aber im Augenblick habe ich alle Hände voll zu tun. Vielleicht später … Ich weiß auch nicht. Was halten Sie davon, wenn wir uns irgendwann mal auf einen Drink treffen?«
»Ich habe hohen Blutdruck und Zucker. Deshalb trinke ich nicht. Aber ich bin gern bereit, Ihnen einen Drink zu spendieren. Jederzeit.« Cordy grinste sie an, ließ ihre Hand los und stand auf. »Na okay. Sie geben mir Bescheid, ob sich das Mädchen auf den Deal einlässt?«
»Sofort. Ich möchte, dass diese Sache so schnell wie möglich aus der Welt geschafft wird.« Sie folgte Cordy zur Tür. »Übrigens … «
Cordy blieb stehen und seufzte. »Wie kommt es nur, dass es immer ein Übrigens gibt? Ich habe Ihnen weit mehr zugestanden, als ich wollte, und was bekomme ich statt Danke für Ihre Hilfe, Miz Cordy zu hören? Ein Übrigens … «
»Probert Chandler?«
»Probert Chand… « Bree konnte fast sehen, wie in Cordys Kopf Daten abgerufen wurden. »Okay. Kapiert. Der Daddy des Mädchens. Unfall mit tödlichem Ausgang auf der Skidaway Road vor ungefähr vier Monaten. Was ist mit ihm?«
»Haben Sie irgendwas über das Resultat der Untersuchung des Autounfalls gehört?«
Cordy zog eine ihrer Augenbrauen hoch. Sie hatte ein offenes, zu keiner Verstellung fähiges Gesicht. »Und was sollte ich da gehört haben?«
»Keine Ahnung. Vielleicht dass der Fall noch nicht abgeschlossen ist?«
»Das könnte ich wahrscheinlich herausfinden. Und warum interessiert Sie das?«
»Weil ich hoffe, irgendwo auf entlastende Umstände zu stoßen.«
Cordy zuckte die Achseln. »Der Typ war reich. Hat sich betrunken und in einer nassen, stürmischen Nacht die Straßenkurve falsch eingeschätzt. Ein Glück, dass dabei nicht auch noch weitere Menschen umgekommen sind. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen, Bree. Die Pflicht ruft.«
»Ich bin Ihnen was schuldig, Cordy. Danke.«
»Sie sind mir ’ne ganze Menge schuldig.« Sie lächelte breit – nicht engelhaft, das konnte man wirklich nicht sagen – und trat zur Seite, um Bree hinauszulassen. »Noch etwas. Wenn das Mädchen meine Bedingungen nicht akzeptiert, muss sie sich auf eine Gefängnisstrafe gefasst machen. Verstanden? Auf weitere Verhandlungen lasse ich mich nicht ein.«
Bree nickte. »Sie hören von mir. So oder so.«
»Sollte also die Untersuchung von Chandlers Tod noch nicht abgeschlossen sein, dann weiß man im Büro der Staatsanwältin jedenfalls nichts davon.« Bree saß in ihremwinzigen Büro am Schreibtisch. Unmittelbar nach dem Gespräch mit Cordy war sie in die Angelus Street zurückgefahren, hocherfreut über den kleinen Sieg. Petru thronte auf dem einzigen anderen Stuhl, der im Zimmer Platz hatte. Ron hockte auf der Kante des Schreibtisches. Lavinia entstaubte mit dem
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