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Anwältin der Engel

Titel: Anwältin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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frisch und frühlingshaft.
    Statt des Emblems des Staates Georgia prangte an der Wand gegenüber dem Fahrstuhl das Emblem des Himmlischen Gerichtshofs. Daran konnte sich Bree noch erinnern. Das Symbol in der Mitte wurde ihr immer vertrauter: eine Waage der Gerechtigkeit, umrahmt von Engelsflügeln. Rechts von dem Emblem hing eine Hinweistafel:
    Amtsgericht – Erster Kreis (Vorsitz: Richter Azrael)
    Landgericht – Zweiter, Dritter und Vierter Kreis
    (Vorsitz: N.N.)
    Berufungsgericht – Fünfter, Sechster und Siebenter
    Kreis (Vorsitz: St. Peter)
    Revisionskammer – Achter und Neunter Kreis
    Archiv
    Gerichtsverwaltung (Engel der Registratur)
    Gewahrsam
    Der Hinweispfeil für das Berufungsgericht zeigte nach oben, der für den Gewahrsam nach unten. Alle anderen Pfeile wiesen entweder nach rechts oder nach links. Ron berührte Bree am Arm. »Hier entlang.«
    Sie folgte Ron den Gang hinunter, bis sie an einer Tür mit der Aufschrift ARCHIV ankamen. Nachdem Ron leise geklopft hatte, öffnete er die Tür.
    Der Archivraum war düster und wirkte wie eine riesige Höhle. Die Hauptbeleuchtungsquelle bestand aus Laternen, sodass Bree einen Moment brauchte, um sich an das funzlige Licht zu gewöhnen. Beide Seiten des Raumes wurden von mehreren Reihen Stehpulten eingenommen. Der Boden war mit Steinplatten ausgelegt. Die hohe Decke bestand aus fortlaufenden Gewölbebögen. An den Wänden waren brennende Fackeln befestigt. Die über die Stehpulte gebeugten Gestalten waren …
    »Mönche?«, flüsterte Bree.
    Ron verdrehte die Augen. »Inklusive Federkiel und Tintenfass. Nicht zu fassen, was? Seit 1867 – dem Jahr, da hier auf Erden die Schreibmaschine erfunden wurde – versuche ich, sie dazu zu bringen, dass sie alles modernisieren. Aber wie man merkt, ohne jeden Erfolg. Tradition ist hier das A und O.« Forsch ging er den Mittelgang hinunter. Bree musste in Trab fallen, um mit ihm Schritt halten zu können. Einige der in Kapuzen gehüllten Gestalten blickten auf, als sie vorübergingen. Hier und da bekam Bree ein unheimlich funkelndes Augenpaar zu sehen. Außerdem drang leises Gemurmel an ihr Ohr, Worte, die sich auf sie bezogen. »Leahs Tochter … wunderbare Haare … hat sich beim Fall Skinner gut bewährt … wird eines Tages sicher noch aufsteigen … «
    »Ron!« Bree packte ihn beim Arm. Er blieb stehen und drehte sich um. »Haben Sie das gehört?« Trotz ihrer Aufgeregtheit sprach sie mit gedämpfter Stimme. »Jemand hat gesagt Leahs Tochter . Das ist meine Mutter. Die mich weggegeben hat. Kennt man sie denn hier?«
    Ron lächelte sie an. Das Lächeln tauchte sein Gesicht in Licht. Ein Gefühl von Wärme und Sicherheit breitete sich wie eine weiche Decke über ihr aus. So hatte auch Lavinia sie schon angelächelt. Unter ihren Füßen war ein schwaches – sehr schwaches – grollendes Donnern zu spüren, das aber sogleich wieder erstarb. »Die Akten sind dort drüben.«
    Wieder aufgelaufen.
    Ron schlängelte sich zügig zwischen den Stehpulten hindurch, bis sie zu einem hohen Eichentresen gelangten, der die gesamte hintere Wand einnahm. Bree musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um über den Tresen blicken zu können. Ein schmaler Gang verlief zwischen dem Tresen und der Wand, die in Hunderte, vielleicht sogar in Tausende von Fächern aufgeteilt war. Ron schüttelte den Kopf. »Goldstein hat das Ganze nach dem Vorbild der Bibliothek von Alexandria gestaltet. Dabei ließe sich alles mit einem anständigen Softwareprogramm digitalisieren, sodass man den Platz für andere Sachen nutzen könnte.«
    »Was denn für andere Sachen?«, fragte eine unwirsche Stimme. »Können Sie mir das mal verraten? Die Fächer sind doch für genau diese Sachen da.«
    »Ach, Sie sind’s!«, sagte Ron ohne jede Spur von Begeisterung. »Hallo, Goldstein.«
    »Sieh da, sieh da, Sankt Par- chay -se«, stellte Goldstein spöttisch fest.
    »Sieh da, sieh da, Sankt Ludditus«, gab Ron in ebenso spöttischem Ton zurück. »Wann werden Sie endlich alles computerisieren, Goldstein?«
    Goldstein war klein und kahlköpfig, hatte eine aggressiv vorstehende Unterlippe und große glänzende braune Augen. Er hatte seine Kapuze vom Kopf zurückgeschoben, und zwischen den Stofffalten um seinen Hals herum sah Bree die Spitze eines Flügels hervorlugen. »Wann ich alles computerisieren werde? Wenn die Hölle gefriert!«, rief Goldstein. »Ha! Haha!«
    »Dieser Witz ist älter als Adam«, brummte Ron.
    Goldstein lächelte Bree an.

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