Anwältin der Engel
lauter, trillernder Akkorde anschlug. Royal wartete, bis die Menge verstummt war und gespannt lauschte. Während ihr Vater seine Rede hielt, dachte Bree an all die Feste, die sie in der Vergangenheit hier miterlebt hatte. Ob sie in Zukunft wohl auch dabei sein würde? Sascha schmiegte sich an ihr Knie, und sie bückte sich, um ihm den Kopf zu kraulen.
Professor Cianquino hatte gesagt, er wolle Hilfe schicken. Da konnte sie nur hoffen, dass sie auch bald eintraf.
Sie legte den Kopf zurück und schaute zu den Sternen hinauf. Der Mond segelte wie ein kleines Schiff über den Himmel. Ganz oben zogen Federwölkchen entlang und versperrten den Blick auf die Plejaden und den Himmelswagen. Als ihre Mutter die brennende Fackel ins Holz warf, ging es zischend in Flammen auf. Der helle Schein ließ den Mond und die Sterne verblassen.
In diesem Moment sprangen zwei riesige schwarze Hunde aus den Flammen, setzten über die Mauer und landeten zu Brees Füßen.
Mord! rufen und des Krieges Hund’ entfesseln.
William Shakespeare, Julius Cäsar
»Meine Güte! Du bist wohl verrückt geworden! Die sind ja riesig! Ich meine, bei Sascha drücken die Nachbarn ein Auge zu, weil er so lieb ist. Aber bei diesen beiden hier? Da bekommen wir garantiert eine Geldstrafe aufgebrummt. Vielleicht werden wir sogar rausgeschmissen.« Antonia rieb sich nervös über die Arme. Es war früher Sonntagabend. Bree war kurz nach dem Frühstück aus Plessey aufgebrochen, zusammen mit ihren zwei neuen Bewachern, die den Rücksitz ihres kleinen Autos ausfüllten wie zwei Sumo-Ringer, die sich in eine Rikscha gezwängt hatten. »Was für eine Rasse ist das eigentlich?«
Bree betrachtete ihre neuen Gefährten mit unsicherem Blick. »Neufundländer, zumindest zum Teil. Was sonst noch dabei ist, weiß ich nicht. Vielleicht haben sie wie Sascha Doggen unter ihren Vorfahren.«
Die zwei Hunde hatten eine Schulterhöhe von über einem Meter. Der Brustkasten war massiv, an den Pfotensaßen spitze weiße Krallen. Bellum öffnete das Maul und ließ ihre spitzen weißen Zähne sehen, von denen sie mehr zu haben schien, als es sonst bei Hunden üblich war. Bree war prinzipiell gegen jedes aggressive Machogehabe, aber in diesem Fall verzichtete sie gern auf ihre Prinzipien. Bei diesen beiden Burschen fühlte sie sich sicher.
»Bella. Und der heißt Mee-lace, sagtest du?« Nervös tätschelte Antonia dem anderen Hund den Kopf.
»Der Name schreibt sich Miles. M-I-L-E-S. Und sie heißt Bellum.«
»Bellum. Irgendwie ein hübscher Name. Italienisch?«
»In gewisser Weise.« Zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben war Bree froh, dass Tonia im Lateinunterricht nicht aufgepasst hatte.
»Die können aber nicht hierbleiben, Bree.«
»Ich werde sie ins Büro mitnehmen. Dann sind sie für den größten Teil der Zeit nicht im Haus.« Sie musterte ihre Schwester. »Normalerweise magst du doch Hunde. Machen sie dich wirklich so nervös?«
»Sie sind so … still , weißt du. Bewegen sich kaum, sitzen nur da und starren einen an.«
Die Hunde hatten links und rechts vom Kamin Position bezogen. Sie saßen hoch aufgerichtet da und verfolgten mit aufmerksamem Blick, wie Antonia im Wohnzimmer hin und her ging, begleitet von Sascha, der fröhlich mit dem Schwanz wedelte. Er hatte seine beiden Genossen mit der Miene eines Generals begrüßt, der das späte Eintreffen der Truppen tadelnswert fand. Bisweilen schnappte er nach ihnen oder bellte sie gebieterisch an, um sie zurechtzuweisen. Meistens beschränkteer sich jedoch darauf, sie voller Besitzerstolz anzusehen. Sie aßen nichts, zumindest hatten sie bisher noch nichts gegessen. Vielleicht nahmen sie ja wie Pythons nur einmal im Monat Nahrung zu sich. Sie mochten es nicht, geknuddelt oder gebürstet zu werden, obwohl sie sich beides mit gleichgültiger Miene von Bree gefallen ließen.
Und sie wichen ihr nie von der Seite.
»Du hast sie also an irgendeiner Raststätte am Straßenrand gefunden?«, fragte Antonia, als hätte Bree ihr diese – allerdings erfundene – Geschichte nicht schon zweimal erzählt. Doch sie war nur zum Teil erfunden. Die Hunde hatten nämlich morgens auf dem Parkplatz des Saturn Diner auf sie gewartet, nachdem sie am Vortag aus den Flammen aufgetaucht waren und nachts neben ihrem Bett geschlafen hatten. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du sie so ohne Weiteres mitgenommen hast. Woher willst du denn wissen, dass sie nicht jemand anderem gehören?«
»Man hat sie ausgesetzt«, erwiderte
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