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Anwältin der Engel

Titel: Anwältin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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mich, ja?«
    »Also versprechen kann ich Ihnen das nicht«, erwiderte Goldstein steif. »Was haben Sie denn nun für Fragen?«
    »Ich würde gern mehr über die himmlischen Strafen wissen. Mein erster Klient, Ben Skinner, wurde ins Fegefeuer geschickt. Vielleicht wissen Sie es ja bereits«, fügte sie bescheiden hinzu, »aber diesen Fall habe ich gewonnen.«
    Goldstein sah nicht so aus, als würde ihn das sonderlich beeindrucken.
    »Probert Chandler ist in den Neunten Kreis der Hölle gekommen.«
    Goldstein machte ein ernstes Gesicht. »Richtig.«
    »Ich habe mir heute Morgen die Prozessakten angesehen. Er wurde wegen der Sünde des Verrats verurteilt.«
    Goldstein zog zustimmend die Schultern ein. Eine kleine, perlweiße Feder driftete in einem Luftzug in die Höhe.
    »Die schlimmste Strafe, die das irdische Rechtssystem kennt, ist die Hinrichtung, zumindest in vielen unserer Staaten. Die nächstschlimmste ist die lebenslängliche Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der bedingten Haftentlassung. Ich vermute, dass der Neunte Kreis der Hölle dem entspricht, oder?«
    »Ja.« Goldstein schloss halb die Augen und dachte kurz nach. »Möchten Sie ein … Informationsblatt? Das wäre sicher nützlich für Sie.« Er bückte sich und holte einen Stapel laminierter Karten unter dem Tresen hervor, die ungefähr das Format der Werbekalender hatten, die Bree jedes Jahr von ihrer Versicherungsgesellschaft bekam. Goldstein schnipste ihr eine der Karten zu. Die Vorderseite war mit schreiend roten Buchstaben bedruckt:
     
    KREISE DER EINKERKERUNG
    I. VORHÖLLE/VERSTÖSSE/HARMLOSE VERGEHEN
    II. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DER LUST
    III. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DER VÖLLEREI
    IV. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DES WUCHERS UND DER HABGIER
    V. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DES ZORNS UND DER WUT
    VI. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DER KETZEREI
    VII. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DER GEWALT
    VIII. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DER TÄUSCHUNG UND DES BETRUGES
    IX. SCHWERVERBRECHEN: VERBRECHEN DES VERRATS
    Bree drehte die Karte um. Auf der Rückseite stand:
     
    BEAZLEY & CALDECOTT
    RECHTSANWÄLTE
    33 STYX AM CHARON SQUARE
    »Die überschwemmen uns förmlich mit ihrem Werbematerial«, sagte Goldstein mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck. »Für das sie auch noch staatliche Gelder bekommen. Nicht dass das irgendwie ungesetzlich wäre, verstehen Sie. Ich find’s bloß geschmacklos.«
    Während Bree die Karte studierte, kam ihr auf einmal alles sehr unwirklich vor.
    »Immerhin dürfte die Karte Ihnen helfen, sich zu orientieren.«
    »Stimmt«, erwiderte Bree. »Danke.« Nachdenklich steckte sie die Karte in ihre Handtasche. »Und was nun Chandlers Verbrechen … Sünden … was auch immer angeht … « Bree holte ihren Notizblock aus der Aktentasche und konsultierte ihre Aufzeichnungen. »Betrug und Verrat an der Familie, besonders an seiner Tochter Lindsey. Es wird aber nicht gesagt, was er getan hat, Goldstein.«
    »Doch.«
    »Nein«, entgegnete Bree aufgebracht. »Es wird nicht gesagt, wie .«
    »Das stimmt«, räumte Goldstein ein. »Es wird nur gesagt, was er getan hat. Warum sollte über das Wie denn auch etwas gesagt werden? Wir befassen uns hier nicht mit dem Wie, sondern mit dem Was. Haben Sie eine Ahnung, wie die Prozessakten anschwellen würden, wenn wir jede einzelne Sünde registrieren würden, die dieser Typ in achtundfünfzig Jahren begangen hat? Das sind einundzwanzigtausendundeinhundertsiebzig Tage, über fünfhundertundachttausend Stunden, dreißig Millionen … «
    Bree hob die Hand. »Stopp!« Sie rieb sich die Schläfen. »Wie wird die Schwere des Verbrechens denn dann festgestellt, wenn nicht anhand von Fakten, die als Beweismaterial vorgelegt werden?«
    Ungehalten presste Goldstein die Hände aneinander. Auf dem Tresen stand eine dreißig Zentimeter hohe Waage aus Gold oder einer ähnlichen Substanz, die im Licht der Fackeln schimmerte. »Es geht folgendermaßen vor sich«, erklärte er ziemlich gereizt. »Wenn man alten Damen über die Straße hilft, kommen so und so viele Unzen in diese Schale.« Eine der Schalen neigte sich leicht nach unten. Der kleine Pfeil auf der Skala zeigte nach oben. »Wenn man den alten Damen die Rente stiehlt, kommen so und so viele Unzen in diese Schale.« Die andere Schale neigte sich nach unten, der Pfeil zeigte abwärts. »So funktioniert das. Am Tag des Gerichts wirft Sie-wissen-schon-wer einen Blick auf die Waage des Verstorbenen. Wenn man es verlangt, bekommt man einen

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