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Anwältin der Engel

Titel: Anwältin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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einmal in aller Offenheit mit ihr zu reden.
    Aber sie durfte nicht vergessen, sich mittags die Nachrichten anzusehen. Paytons hinreißende blaue Augen waren hübsch blutunterlaufen. Das würden die Kameras hoffentlich gut einfangen.
     
    »Sie ist nicht da.« Auch Carrie-Alice sah an diesem Morgen etwas derangiert aus. Sie trug das Twinset aus Baumwolle, das sie schon am Abend zuvor angehabt hatte. Einer ihrer Strümpfe hatte eine Laufmasche. Sie hatte darauf verzichtet, Make-up aufzutragen. Dadurch sah sie zugleich jünger und verletzlicher aus. Morduntersuchungen schienen eine schädliche Wirkung auf den Zustand zu haben, in dem die Betroffenen herumliefen. Bree stopfte sich ihr T-Shirt ordentlich in den Hosenbund und versuchte, gelassen und kompetent zu wirken.
    »Ich bin hier, um zu helfen, Mrs. Chandler. Ich glaube nämlich, dass Lindsey mehr weiß, als ihr bewusst ist.«
    »Worüber?«
    »Da bin ich mir nicht ganz sicher«, gab Bree zu. »Aber wenn ich mich mit ihr zusammensetzen dürfte, nur wir zwei, ganz entspannt … «
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie nicht da ist.« Carrie-Alice rang die Hände und trat an das Vorderfenster. Die Securityleute waren wieder da. Und die stille Straße war gar nicht mehr so still, denn am Fuß der Auffahrt hatte sich eine Horde von Reportern und Kameraleuten versammelt. Carrie-Alice beobachtete sie mit einem Gesichtsausdruck, der an Verzweiflung grenzte. »Warum können die uns nicht in Ruhe lassen?«
    »Heute Morgen hat man einen der Rechtsanwälte von Stubblefield, Marwick verhaftet«, sagte Bree. »Oder ihn zumindest zum Verhör vorgeführt. Die Leute draußen sind wahrscheinlich auf einen Kommentar von Ihnen aus.«
    »Worüber?«
    »Bestechung. Darüber, dass die Familie Chavez abgefunden wurde, nehme ich an.« Bree lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Falls jemand aus der Familie das Ganze autorisiert hat, wird auch die Polizei herkommen, um Fragen zu stellen.«
    »George!«, schrie Carrie-Alice. » George! «
    Bree fuhr zusammen. Dieses Verhalten war absolut untypisch für Lindseys sonst so distanzierte, eher gleichgültige Mutter.
    Norah kam lautlos ins Wohnzimmer herein. »Stimmt etwas nicht, Mrs. Chandler?«
    »George ist im Arbeitszimmer seines Vaters«, erwiderte Carrie-Alice aufgeregt. »Bitte holen Sie ihn.«
    Norah verschwand ebenso lautlos, wie sie gekommen war, um kurz darauf mit George zurückzukehren.
    »Übernehmen Sie das«, sagte Carrie-Alice kurz angebunden. »Ich gehe nach oben und lege mich hin. Ich habe letzte Nacht kein Auge zugetan. Ich bin völlig erschöpft.« Eilig verließ sie das Zimmer.
    George blickte ihr mit leicht besorgtem Gesichtsausdruck hinterher. Dann nahm er Bree gegenüber auf dem Sessel Platz. »Sie müssen Moms Verhalten entschuldigen«, sagte er. »Das Ganze ist wirklich hart für sie. Für uns alle. Haben Sie schon Neuigkeiten für uns?«
    George zumindest war ordentlich angezogen. Seine hellbraunen Chinos schienen gebügelt zu sein, sein blaues Oberhemd war gerade aus der Reinigung zurück, die Krawatte sorgfältig geknotet. Bree überlegte, ob das etwas anderes zu bedeuten hatte, als dass er in einer Krise die Ruhe bewahrte. Oder ob er ein so dickes Fell hatte, dass ihn gar nichts berührte.
    »Ich muss wirklich mit Lindsey reden, Mr. Chandler.«
    »Sagen Sie doch einfach George zu mir, ja? Ich habe Dads Tod wohl noch nicht so ganz verinnerlicht. Mister Chandler war immer er .«
    Bree unterdrückte einen Seufzer. »Ich muss wirklich mit Lindsey reden, George.«
    »Die ist aber leider nicht da.«
    »Dann muss ich eben zu ihr hingehen und dort mit ihr reden.« Ihr Schlafmangel machte sie ziemlich reizbar.
    »Aber Sie vertreten Lindsey doch gar nicht mehr. Dieser Fall ist ja längst abgeschlossen.« Er blickte unruhig umher, als lauere in irgendeiner Ecke ein Reporter. »Und sie weiß nichts, was Ihnen bei der Aufklärung von Dads Tod helfen könnte.«
    »Sie könnte aber etwas wissen.«
    »Zum Beispiel?« Er sah aufrichtig verwirrt aus. »Sie ist noch ein Kind. Und sie ist nie sonderlich pflegeleicht gewesen, wie Sie ja inzwischen wissen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Dad ihr etwas anvertraut hat. Ich will Sie nicht schockieren, aber ich glaube, er mochte sie nicht besonders. Ich würde es vorziehen, die ganze Angelegenheit logisch zu betrachten.«
    Offenbar hatte er in der Tat ein so dickes Fell, dass ihn nichts berührte. Die arme Lindsey. Brees Mitgefühl war voll und ganz geweckt. Wenn sie bloß an das

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