Anwaltshure 3
immer maskiert, sah ich nur die äußere Form des Mannes, die noch dazu von einem wallenden Gewand umflutet wurde. Wie besessen ging ich die Liste meiner Liebhaber durch. Auf wen passte dieses Aussehen? Wem war eine solche Entführung zuzutrauen?
»Was wollen Sie von mir?«, stieß ich hervor. Was auch immer mich in diesem Moment antrieb, seine Haltung, seine ganze arrogante Art sowie der überhebliche Auftritt, brachten mich auf die Palme. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich nichts weiter war in diesem Moment, als seine Gefangene, sein Entführungsopfer.
»Zunächst, Sie als Gast in meinem Haus begrüßen.«
»Fabelhaft. Ich erwidere den Gruß und würde mich dann auch gern gleich wieder verabschieden«, sagte ich zickig.
»Miss Hunter ...« Die Tonart, mit mir wie mit einem tumben Kind zu reden, besänftigte mich nicht gerade.
Er trat einen Schritt auf mich zu. Jetzt konnte ich sogar das sanfte Glänzen seines Gewandes wahrnehmen. Es ärgerte mich, dass ich keine Chance hatte, wenigstens seine Augen zu sehen oder seine Brauen. Nichts. Gar nichts konnte ich erkennen. Wie in einem Horrorfilm sah ich statt der Augäpfel nur dunkle Höhlen.
»Mr MacNeill hat Ihnen ja bereits erklärt, dass wir Ihre Hilfe benötigen ...«, setzte er an.
»Und wenn schon! Hören Sie mir mal gut zu, Sie Robin Hood für die Westentasche ... Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich gern behilflich bin. Aber ich bin es nicht gewohnt, dass man mich zu diesem Zweck betäubt und mich dann quer durch das ganze Land entführt. Also ... Wenn Sie meine Hilfe wollen, dann sehen Sie zu, dass ich so schnell als irgend möglich wieder in London lande.«
Robin war jetzt so dicht vor mir, dass ich sein Aftershave riechen konnte. Es roch teuer. Es war teuer. Unaufdringlich, dabei aber herb und männlich.
Erlebt eine Geisel es oft, dass der Entführer sie mit jedem Atemzug intensiver betört? Dass da nicht ein Hauch von Angst lauert? Voller Verwunderung stellte ich fest, dass genau das bei mir zutraf. Ich stand ihm gegenüber und beobachtete jede noch so winzige Bewegung, die er machte, und stellte mir dabei seinen Körper vor. Nackt. Wie es sich anfühlte, wenn der dünne schwarze Stoff über seine vom Sex erhitzte Haut glitt, wie die Berührung einer Frau mit ihren Fingerspitzen.
»Wir werden Ihnen nichts tun. Sie haben nichts von uns zu befürchten«, sagte er nachdrücklich.
»Aber?«
Er legte den Kopf leicht schräg und wahrscheinlich hätte man ohne die Maske einen fragenden Gesichtsausdruck gesehen.
»Das ist ein Aber-Satz ...«, ergänzte ich.
»Ja. Richtig. Aber ... wir werden Sie erst gehen lassen, wenn Ihre Aufgabe erfüllt ist. Es tut mir leid.«
Okay, für wie blöd hielt der Typ mich eigentlich?
»Wieso sagen Sie, dass es Ihnen leid tut? Außerdem: Was geht mich Ihre ganze idiotische Robin-Hood-Charade an? Ich werde es Ihnen verraten: Gar nichts! Und ich kann Ihnen noch etwas verraten: Wenn ich nicht bis morgen wieder in London bin, wird mein Freund die Polizei benachrichtigen!«
Okay, damit hatte ich ziemlich tief in die Kiste gegriffen. Welcher Freund sollte das denn sein? Außer George kam da ja wohl niemand in Frage.
»Und wer wäre das?« Der Hohn in seiner Stimme war nicht mal ansatzweise versteckt.
»George McLeod.«
Schweigen von seiner Seite. »Sie denken also, McLeod kümmere sich um diese Sache? Um Sie? Ja?«
Fieberhaft fragte ich mich, ob ich schon lange genug nicht mehr erreichbar war, um Georges Aufmerksamkeit auf meine Abwesenheit zu lenken ... Gut, wenn er einen Klienten für mich hatte, dann würde er es sicher bemerkt haben. Doch sonst ... Derek vielleicht! Aber nur, wenn er versucht hätte, mich zu erreichen und das dann George mitgeteilt hätte. Aber sicher war das auch nicht.
Hatte ich mich selbst in diese Fall geritten? Und vor allem: Warum reagierte ich so aggressiv auf diesen Maskenmann, wenn ich doch in Wirklichkeit mit den Zielen der »Avengers« sympathisierte?
»Natürlich kümmert er sich um mich.«
»Gut. Dann habe ich jetzt etwas für Sie, das Sie sicher interessieren wird ...« Er drückte auf eine kleine Fernbedienung in seiner Hand und auf einem zuvor im Dunklen befindlichen Fernsehbildschirm flackerte es auf. Die mangelnde Qualität des Films sprach dafür, dass es sich um ein privates Werk handelte. Eine junge Frau in Spitzen-BH und winzigem Tanga stellte offensichtlich die Kamera auf einen Schrank, der sich in direkter Nähe des Bettes befand.
»Soll ich sie so stehen
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