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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Ihre Großtante hatte sich offenbar nur von Tee, Keksen und Suppen ernährt und war trotzdem vierundachtzig Jahre alt geworden.
    Stephen hatte gesagt, dass seit Lillians Tod nichts verändert worden war. Und wie war sie gestorben? Hier in der Wohnung?
    Apryl nahm ihren Rucksack vom Rücken und lehnte ihn gegen das Tischbein. Sie wurde das Gefühl nicht los, ein Eindringling im Reich eines fremden Menschen zu sein. Schon jetzt fürchtete sie sich davor, hier übernachten zu müssen. Würde es überhaupt saubere Bettwäsche geben? War ihre Tante in ihrem Bett gestorben? Auf einmal verspürte sie den Drang, Stephen zu rufen, damit er hochkam und so lange blieb, bis sie alles erfahren hatte.
    Mit großer Willensanstrengung gelang es ihr, sich zu beruhigen. Sie war müde und aufgeregt, ihre Nerven lagen blank. Das hier hatte sie ja nicht im Entferntesten erwarten können. Sie musste sich einfach wieder klarmachen, dass dies hier eine große Gelegenheit war. Etwas, das alles ändern würde und sowieso jenseits ihres Fassungsvermögens stand.
    Aber als sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete, schwand ihr frisch gefasstes Selbstvertrauen schon wieder. Sie schaffte es nicht, mehr als zwei Schritte hineinzugehen. Wieso hatte Stephen ihr nichts von den Blumen erzählt? Von diesen vielen vertrockneten Blumen. Ein unglaublicher Haufen von braunen Stielen und verwelkten Blütenblättern, der sich vom Teppich bis zur Höhe der Fensterbank türmte. Und über dem vertrockneten Durcheinander befand sich ein breites Fenster zum Lowndes Square. Die Blumen erinnerten sie an Sträuße, die auf alte Gräber gelegt wurden, damit sie verdorrten und vergingen und ihre Farbe verloren. Angesichts von derart vielen vergammelten Stängeln und Blättern und Blüten in diesem bräunlichen Zwielicht spürte sie, wie ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief und sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Das hier musste sich ja über Jahre hinweg angesammelt haben. Ein Strauß nach dem anderen war dazu gekommen. Und all diese Rosen schienen, nach den jüngsten ganz oben auf dem Haufen zu urteilen, von dunkelstem Rot gewesen zu sein. Und dahinter waren die grauen Vorhänge mit den goldenen Borten ganz zugezogen.
    Sie schaltete das Deckenlicht ein, um die Blumen besser betrachten zu können und sich die Bilder an den Wänden anzusehen. Doch trotz des Lichts war der Raum so dunkel, dass sie beschloss, die Vorhänge aufzuziehen. Aber als sie sich über den Blumenhaufen lehnte, bemerkte sie, dass sie zusammengenäht worden waren. Sofort trat sie vom Fenster zurück und starrte die dünnen roten Nähte an, die die Vorhänge in der Mitte zusammenhielten.
    »Was soll das denn?«
    Ihre Großtante war offenbar so einsam und verrückt gewesen, dass sie ihre Vorhänge zusammengenäht und davor einen riesigen Haufen aus verwelkten Blumen aufgeschichtet hatte, der beinahe die Hälfte des Zimmers einnahm. Apryl trat zurück, um sich umzuschauen. In diesem Zimmer gab es überhaupt keine Möbel, der Boden war staubbedeckt, aber in den Ecken unter der Decke waren keine Spinnweben, sodass man die an allen Wänden hängenden altertümlich gerahmten Schwarz-Weiß-Fotos gut betrachten konnte. Sie reichten von Hüfthöhe bis unter die Decke. Und auf allen Bildern war das gleiche Paar zu sehen. Auf jedem einzelnen der Bilder.
    Reginald trug einen dünnen Oberlippenbart wie Douglas Fairbanks Junior, seine Haare waren ordentlich gescheitelt, und er sah sehr gut aus. Dies also war die erste Begegnung mit ihrem Großonkel.
    Seine Augen waren dunkel und wirkten sehr intelligent. Er lächelte. Wenn man ihn nur ansah, musste man dieses Lächeln erwidern. Auf den Fotos trug Reginald entweder einen Anzug mit Krawatte oder graue Hosen mit einem weißen Hemd, dessen oberer Knopf geöffnet war. Auf einem der Bilder saß er in einem Korbstuhl und ein junger Terrier lag ihm zu Füßen. In seiner kräftigen linken Hand hielt er oftmals eine Pfeife. Das also war Lillians Ehemann, neben dem sie immer voller Stolz gestanden hatte, eingehakt oder ein kleines Stück hinter ihm, mit einer Hand auf seiner Schulter. Als könnte sie ihn nicht loslassen. Als liebte sie ihn so sehr, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte.
    Und Lillian war eine sehr schöne Frau gewesen. Mit ihren großen braunen Augen und dem zierlichen Körper hatte sie ausgesehen wie ein Filmstar aus den Vierzigerjahren. Sie war stets elegant gekleidet, trug leichte Röcke oder knielange Cocktailkleider oder

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