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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Ballkostüme, die ihre weißen Knöchel umspielten und unter denen glänzende Schuhe hervorlugten. Aber am meisten bewegte Apryl die Art, wie sie einander ansahen. Das konnte keine Schauspielerei sein. Diese traurige, verblichene und zerschlissene Wohnung, in der Lillian ihre letzten sechs Jahrzehnte verbracht, wo sie vor sich hingeträumt und sich an die gute alte Zeit erinnert hatte, war plötzlich viel besser zu verstehen. Hier hatten zwei Menschen gelebt, die niemals auseinandergehen wollten. Dieser Ort wirkte so traurig, weil die Witwe bis an ihr Lebensende getrauert hatte. Vielleicht hatte der Schmerz sie verrückt werden lassen. Wurden heutzutage die Herzen noch immer auf so grausame und endgültige Art gebrochen?
    Apryl wusste, dass Reginald in den späten Vierzigerjahren gestorben war. Nachdem er im Krieg bei der Royal Air Force gedient und Gefahren überstanden hatte, die sie sich nicht im Mindesten vorstellen konnte, war dieser glückliche, gut aussehende Ehemann einer hübschen jungen Frau ganz plötzlich gestorben. Sie kannte die Einzelheiten nicht, aber ihre Oma hatte ihrer Mutter erzählt, dass er erst nach dem Krieg gestorben war. Das war alles, was sie davon erfuhren. Eine lückenhafte Erzählung, die von einer einsamen Frau an eine andere weitergegeben worden war, bis Apryl schließlich auch davon gehört hatte. Aber nun hingen Zeugnisse von Lillians Leben hier an den Wänden und waren in die Kästen und Schachteln verpackt worden, die im Flur standen. Und wer weiß, was noch alles zutage kam, wenn Apryl erst mal das Esszimmer und die anderen drei Räume durchsuchte. Hatte Stephen nicht auch etwas von einem Lagerraum im Keller des Hauses gesagt?
    Sie hatte sich ausgerechnet, was dabei herausspringen könnte, wenn es ihr gelang, die Wohnung und den größten Teil von Lillians Hinterlassenschaften möglichst schnell zu verkaufen. Aber daran wollte sie jetzt nicht mehr denken. Sie wollte hierbleiben und erst einmal so viel wie möglich über ihre Großtante und ihren Onkel herausfinden. Sie wollte die Vergangenheit erforschen und darüber nachdenken, die Dinge sammeln und bewahren. Das hier war ja kein Müll. Es hatte Lillian viel bedeutet. Und zwar alles.
    Bestimmt würde sie auch Briefe finden. Vielleicht ein Tagebuch. Sie würde alles sichten und kategorisieren wie eine Archäologin, während sie mit den Maklern verhandelte und den Behördenkram erledigte. Wenn sie schnell arbeitete, würde sie auch noch ein bisschen Zeit haben, um London kennenzulernen. Aber Lillian kam zuerst. Und wenn es bedeutete, dass sie ihre Ersparnisse verbrauchen und ihren Job zu Hause sausen lassen musste. Sie wollte alles über ihre Großtante herausfinden, jedes noch so winzige Detail.

4
    Als er in seiner Uniform und mit einer Tasse Tee in der Hand aus dem Mitarbeiterraum nach oben kam, hoffte Seth, dass Piotr schon auf dem Weg in die Tiefgarage war, wo er seine Rostlaube immer parkte. Aber sein Kollege hatte gerade einmal den roten Anorak über sein schweißgetränktes Polyesterhemd gezogen und wartete auf ihn. Grinsend hielt er das Dienstbuch in die Höhe. »Ah, Seth mal wieder Geister sieht. Wir lachen uns kaputt, als wir Eintrag gelesen. Vielleicht hat er zu viel Whisky getrunken und Sachen gesehen, was?« Er rollte mit den Augen und machte eine Handbewegung, als tränke er aus einem Glas.
    »Ich hab nicht geschrieben, dass ich etwas gesehen habe. Ich habe ungewöhnliche Geräusche gemeldet. Jemand war in Nummer sechzehn. Ich hab’s gehört.«
    Piotr hörte gar nicht zu. »Du sollst Messing polieren nachts. Ich sag es Stephen, aber er nicht gehört. Du arbeitest, dann hast du nicht Zeit für Geister sehen.« Die Tür schloss sich, und der raschelnde Anorak und das grinsende Gesicht verschwanden.
    Er würde überhaupt nichts mehr in seinen Bericht schreiben, egal, was er hörte. Scheiß drauf. Er hatte seine Arbeit gemacht. Wenn etwas gestohlen wurde, dann hatte er die anderen jedenfalls gewarnt.
    Er ließ sich auf den Stuhl fallen und dachte wieder über den Traum nach, den er am Nachmittag gehabt hatte. Es stimmte ihn irgendwie nostalgisch, aber er fühlte sich nicht gut dabei. Als Junge hatte er Albträume gehabt, in denen er in dieser Kammer gestanden hatte. Er hatte versucht zu schreien, aber keinen Ton hervorgebracht, als man ihn in diese Zelle steckte. Es hatte begonnen, kurz nachdem sein Vater von zu Hause weggegangen war. Immer wieder war er in seinen Träumen in dieser schrecklichen Kammer aus Stein

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