Apartment in Manhattan
ist eher der stille Typ, vor allem jetzt, wo er eine Frau hat, die für ihn die Gespräche führen kann. Sara erzählt mir von ihrem neuen Haus und dem Campingausflug am Memorial Day, und dass sie versuchen, ein Kind zu bekommen.
Sie erzählt mir auch, dass sie sich Sorgen um Mary Beth macht.
„Warum?“ Ich habe mehrmals mit meiner Schwester telefoniert, und sie klang ganz okay.
„Hat sie dir erzählt, dass sie mit Vinnie zu Abend gegessen hat?“
„Nein!“ Das kann ich nicht glauben.
„Uns hat sie es auch nicht erzählt, stimmt’s, Joey?“
„Nee.“
„Wir haben das durch den Bruder eines Freundes von Joey herausgefunden. Er hat die beiden mit den Kindern bei Applebee’s gesehen.“
„Mit den Kindern?“ wiederhole ich. „Dann war es vielleicht kein …“
„Doch, das war es“, versichert mir Sara. „Al hat gesagt, Mary Beth hatte diesen hoffnungsvollen Blick in den Augen. Und seine Frau Amy hat erzählt, dass Vinnie die ganze Zeit mit der Bedienung geflirtet hat.“
„Vor den Kindern?“ Aber ich traue es ihm zu, dem Ekelbrocken.
„Das ist es ja, was ich meine. Er hat sich kein bisschen geändert, oder, Joey?“
„Nee.“
Ich schaue meinen Bruder an, dessen Blick auf den Verkehr auf der Autobahn gerichtet ist, und ich frage mich, ob er überhaupt weiß, wovon wir reden.
„Einer von uns sollte mit Mary Beth sprechen“, fährt Sara fort. „Ich sage deinem Bruder immer wieder, er soll es tun …“
Joey schnaubt. Also verfolgt er offenbar unser Gespräch.
„Sie ist deine Schwester, Joe“, stellt Sara fest. „Ich kann es nicht tun, ich habe nur eingeheiratet. Vielleicht kannst du, solange du zu Hause bist, herausfinden, was sie vorhat, Tracey. Ich möchte einfach nicht, dass sie den gleichen Fehler noch mal macht und zu ihm zurückkehrt.“
„Er würde sie doch niemals zurücknehmen, selbst wenn sie es wollte“, sage ich.
„Das weiß man nie, Tracey. Bei ihr hat er es immer ziemlich gut gehabt. Selbst gekochtes Essen, ein Haus, jemand, der auf die Kinder aufpasst – wenn er die Jungs jetzt übers Wochenende nimmt, versucht er, sie bei seiner Mutter abzuliefern.“
„Wirklich? Woher weißt du das?“
„Vince Junior hat mir das erzählt.“
„Vince Junior hat dir erzählt, dass sein Vater versucht, ihn und Nino bei ihrer Großmutter abzugeben?“
„Nicht wortwörtlich“, antwortet Sara, und Joey schnaubt schon wieder.
„Lass das, Joey“, ruft sie und wendet sich dann wieder an mich. „Dein Bruder glaubt, ich bilde mir das alles nur ein, aber das stimmt nicht. Außerdem habe ich gehört, was Al und Amy über Mary Beth und Vinnie im Applebee’s gesagt haben. Amy behauptet, Mary Beth hat vor Glück geradezu geglüht, als ob sie ein Date hätten oder so.“
Ich kann mir das Gesicht meiner Schwester mit diesem Vinnie-Gesichtsausdruck ganz genau vorstellen. Sie hat ihn immer so verliebt angesehen, selbst nachdem sie schon einige Jahre verheiratet waren. Selbst als sie wusste, dass er sie betrügt.
Bei diesem Gedanken, sehe ich Wills Gesicht vor mir.
Aber es ist nicht das Gleiche mit mir und Will.
Das ist es nicht.
Ich habe mich zwar fast selbst davon überzeugt, dass er mich vor ein paar Wochen betrogen hat. Aber ich habe seitdem bereits mehrere Jobs für Milos gemacht und glaube inzwischen, dass ich mir das alles vielleicht nur eingebildet habe. Jeder ist sehr nett zu mir, selbst Zoe. Niemand benimmt sich verdächtig oder versucht, etwas vor mir zu verheimlichen, wie sie es tun würden, wenn Will mit jemandem bei Eat, Drink Or Be Married rumgemacht hätte.
Will hat mich, seit er fort ist, jede Woche angerufen, und wir haben sogar vorsichtige Pläne für meinen Besuch im Juli gemacht. Er sagte, es ginge das Gerücht, dass er die Hauptrolle in
Sunday in the Park with George
bekommt, und wenn das der Fall ist, soll ich ihn besuchen.
Jedes Mal, wenn wir sprechen, ist im Hintergrund viel Lärm. Aber so langsam habe ich mich dran gewöhnt. Es ist so, als ob man mit jemandem telefoniert, der in einem Schlafsaal wohnt. Immer sind andere Leute in der Nähe, und immer will irgendjemand telefonieren. Da haben wir keine Gelegenheit, intime Gespräche zu führen. Im Grunde erzählen wir uns nur gegenseitig, was wir so machen.
Will arbeitet von morgens bis nachts am Theater. Er hatte kleinere Rollen in zwei weiteren Aufführungen – einmal war er einer von Herodes’ Handlangern in
Jesus Christ, Superstar
und einmal Laza Wolf, der wohlhabende Typ, der Tzeitel in
Fiddler
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