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Apartment in Manhattan

Apartment in Manhattan

Titel: Apartment in Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Markham
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on the Roof
an den armen Schneider verliert. Das hat mich überrascht, weil ich ihn eher als den jugendlichen Liebhaber sehe. Aber vielleicht liegt das ja an meiner Wahrnehmung.
    „Wie geht es Mom und Dad?“ frage ich Sara und Joey, weil ich mich von meinen Gedanken an Will oder der schwierigen Beziehung meiner Schwester mit ihrem Ex ablenken will.
    „Gut“, ist Joeys typisch vage Antwort.
    „Deine Mutter brauchte stärkere Gläser für ihre Brille, und dein Vater hat schon gedacht, er würde seinen Job bei der Fabrik verlieren“, sagt Sara. „Oh, und sie haben eine neue Couch fürs Wohnzimmer bestellt.“
    „Das wurde aber auch höchste Zeit!“ Ich sehe das braun und beige gemusterte Sofa vor mir, das es schon so lange gibt, dass ich mich daran erinnern kann, wie ich mich eines Tages darauf übergeben habe, als meine Kindergärtnerin mich früher nach Hause geschickt hatte, weil mir schlecht war.
    „Ja, dein Vater wollte es zuerst nicht kaufen, wegen der möglichen Kündigung, aber Klein-Danny hat die ganze Couch mit Farbe voll gemalt – nicht die auswaschbare –, und jetzt hatten sie nun wirklich keine Wahl mehr.“
    Little Danny ist mein anderer Neffe – der kleine Sohn von meinem Bruder Danny und seiner Frau Michaela. Er ist erst achtzehn Monate alt, und ich kann es kaum abwarten zu sehen, wie er seit Ostern gewachsen ist.
    „Deine Eltern werden vielleicht glücklich sein, wenn sie dich morgen auf der Feier sehen“, meint Sara. „Ich bin so froh, dass du sie überraschen willst.“
    „Ja, das wird lustig.“ Zu schade, dass meine Freundin Andrea an diesem Wochenende nicht da ist. Sie ist zur Hochzeit ihres Cousins in Rochester eingeladen. Als ich sie gestern Abend angerufen habe, weil ich hoffte, sie zu sehen, haben wir beschlossen, dass sie mich in New York besuchen wird. Doch ich weiß schon jetzt, dass das nicht geschehen wird. Die Leute aus Brookside haben die gleiche Einstellung zu New York City wie die Leute aus New York gegenüber den entfernten Regionen des Staates. Osten ist Osten, Westen ist Westen, und zu Hause ist es am schönsten.
    Wir sind jetzt in Brookside, verlassen die Autobahn und bezahlen die Mautgebühr. Als wir an den Fastfood-Restaurants und dem berüchtigten Applebee’s vorbeikommen, fällt mir auf, dass alles noch ganz genauso aussieht wie früher. Wir haben das kleine Geschäftsviertel schneller hinter uns gelassen, als man K-mart sagen kann, und nun steuern wir direkt auf das Haus meiner Schwester zu. Dort werde ich die Nacht verbringen, damit ich meine Eltern morgen auf der Feier überraschen kann.
    „Ich wünschte, du könntest bei uns bleiben“, sagt Sara. Sie und mein Bruder leben über der Garage ihrer Eltern, und das schon, seit sie vor drei Jahren geheiratet haben. „Wenn wir erst in unserem neuen Haus wohnen, dann kannst du jederzeit in dem Gästezimmer übernachten, Tracey“, verspricht sie.
    „Das wäre toll“, antworte ich und stelle mir vor, was für ein Gefühl es wohl ist, glücklich verheiratet zu sein und in einem Haus mit Gästezimmer zu leben. Und ich frage mich, ob ich es jemals rausfinden werde. „Wann zieht ihr denn ein?“
    „Wir können im August hinein, aber es muss noch viel renoviert werden.“
    „Wahrscheinlich können wir ab Weihnachten dort wohnen“, fügt Joey hinzu.
    „Oh Joey, komm schon.“ Sara drückt seinen Arm.
    „Was denn? Das meine ich ernst, Sara.“
    „Wir werden nicht bis Weihnachten warten, bis wir in unser eigenes Haus ziehen können.“
    Sie beginnen zu diskutieren, und ich höre nur halb hin.
    Ich starre aus dem Fenster, als wir durch die ruhige, von Laternen erhellte Straßen meiner Heimatstadt fahren. Wir kommen an der Bibliothek vorbei und an der Grundschule aus Backstein und an der unebenen Stelle des Gehsteigs, wo ich mal so mit dem Fahrrad gestürzt bin, dass mein Knie genäht werden musste. Ich frage mich, ob sie den Beton inzwischen repariert haben. Als ich das letzte Mal an Thanksgiving hier entlanggelaufen bin, war der Gehsteig noch immer voller Schlaglöcher. Brookside ist nicht gerade eine Stadt, wo die Gemeinde sich besonders um Reparaturarbeiten kümmert. Es ist eine Arbeiterstadt, in der schon zu viele Fabriken geschlossen worden sind. Mein Vater und Danny sind beide bei einer der letzten verbliebenen Fabriken angestellt, und es gibt immer wieder Gerüchte, dass auch die von einem großen Unternehmen aufgekauft werden sollen, das die Produktion dann nach Mexiko oder Asien verlegt wird. Das

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