Apfeldiebe
abzuschalten.
Bei den Mahlzeiten klaute ihr niemand das leckerste Stück vom Teller und auch die Süßschublade – ein Fach in der Küche, randvoll mit Schokolade, Gummibärchen, Kaugummis – gehörte ihr ganz allein. Kein Alex streckte seine Finger vor ihr nach all den Schätzen aus und kein Alex machte am Abend im Bett so lange komische Geräusche ( Uaaaahhhh ), bis Leni wirklich Angst bekam und anfangen musste zu weinen.
Aber trotz all dieser ziemlich schwerwiegenden Vorteile vermisste sie Alex und dies jede Minute ein bisschen mehr. Drei lange Tage fehlten er und die anderen nun schon und mit jedem neuen Erwachen fehlte er ihr mehr. Es fehlte ihr, sich am Morgen in sein warmes Bett zu kuscheln und ihn wach zu ärgern. Ihr fehlten seine verrückten Ideen und seine Streiche, die ihnen zwar regelmäßig ein wenig Ärger einbrachten, die aber vielleicht gerade deswegen so besonders waren. Wie die Sache mit der Schuhcreme auf Seilers Türklinke. Alex hatte damals im Dorf eine Katze angelockt und sich unter den Arm geklemmt. Komm mal mit , hatte er zu Leni gesagt, ich zeig dir mal was Lustiges .
Aber dem Kätzchen darf nichts passieren!
Alex hatte das versprochen und zusammen waren sie zum Haus des alten Seilers gegangen, wo natürlich dessen Hund schon auf sie wartete. Alex hatte das Gartentor geöffnet und bevor der Hund über den Eindringling herfallen konnte, hatte Alex die Katze freigelassen und Seilers Hund, vor der Wahl zwischen zwei erstarrten Kindern und einer weglaufenden Katze stehend, hatte sich ohne Zögern für Letztere entschieden. Leni war ihrem Bruder durch den unbewachten Vorgarten gefolgt, hatte zugesehen, wie Alex eine Tube aus der Tasche gezogen und aus dieser drei pechschwarze Streifen auf die Türklinke gedrückt hatte. Als sie innen jemanden mit einem Schlüssel hantieren gehört hatten, waren sie weggerannt. Am Gartentor hatten sie sich umgedreht und – beim Gedanken an diesen Anblick musste Leni auch heute noch lachen – da stand der alte Seiler, die Hand auf der Klinke. Bis heute verstand das Mädchen nicht, wieso Seiler die Schuhcreme an der Hand nicht bemerkte, das hatte sich doch bestimmt ganz eklig angefühlt. Aber vielleicht hatten ihn die beiden Kinder so aufgeregt, vielleicht war es auch wegen Hasso, dessen Gebell sich immer weiter entfernte, jedenfalls drohte er Alex und Leni mit einer schwarzen Handfläche und fuhr sich danach über den Kopf. Breite schwarze Streifen klebten nun an Seilers Stirn und an seinen wenigen Haaren. Ein Zebra , hatte Alex gerufen. Eine Woche Fernsehverbot – ein guter Tausch.
Alex fehlte ihr.
Komisch, was Leni alles so einfiel, Dinge und Begebenheiten, die bisher keinerlei Bedeutung besessen hatten. Gestern hatte sie das Regal mit Alex’ Modellautos abgestaubt, alle Fahrzeuge mit Spülmittel gereinigt, zum Trocknen in die Sonne gelegt und anschließend wieder eingeräumt. Wahrscheinlich würde Alex das bei seiner Rückkehr sofort bemerken, denn jedes einzelne Fahrzeug besaß einen ganz bestimmten Platz und die Logik hinter dieser Anordnung erschloss sich einzig und allein Alex. Aber als die Modelle im Spülbecken gelegen hatten, war es für eine Markierung oder ein Foto mit Papas Digitalkamera schon zu spät. Leni hoffte, dass Alex Gnade walten lassen würde, schließlich hatte sie es ja nicht böse gemeint. Sicher, wenn sie früher zwei, drei der kleinen bunten Dinger vertauscht und Alex dies am Abend natürlich sofort bemerkt hatte, da wusste sie, was auf sie zukam: mindestens eine Kitzelattacke – oder er warf sie, wenn er nach einem Nachmittag im Keller nicht mehr ganz so gut gelaunt war, auf den Rücken, setzte sich auf sie drauf und ließ seine Spucke, die er dem Geräusch nach von seeehr weit unten holte, als langen Faden über ihrem Gesicht baumeln und zog diesen, kurz vor einem ekligen Zusammentreffen mit ihrem Auge, zurück in seinen Mund. Einmal war dieser Faden gerissen.
Mama und Papa hatten es inzwischen aufgegeben, Leni nach ihrem Wissen auszufragen, sie glaubten ihr. Und so richtig gelogen war es ja auch nicht, wenn sie den Kopf schüttelte, denn dass Alex und die anderen so lange wegbleiben würden, das hatte sie wirklich nicht gewusst. Inzwischen machte aber auch sie sich Sorgen. Was trieben die Jungs da unten an der Ruine? Was konnte so interessant sein, dass Alex darüber Vater und Keller vergaß?
Heute Abend hatte Leni im Fernsehen die Bilder von Alex, Rufus, Max und Timi und von Kasimir gesehen. Das von Kasimir sah richtig
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