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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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lustig aus! Er trug eine Krawatte und seine langen Haare waren ganz streng nach hinten gekämmt, sodass Leni ihn erst gar nicht erkannt hatte. Dieselben Bilder waren heute auch in der Zeitung erschienen. Alle suchten Alex und nur Leni wusste, wo er sich versteckte.
    Das Bett blieb trocken, heute, morgen und hoffentlich auch übermorgen. Sie durfte Alex nicht verraten, nicht nur, weil sie ihr Bett trocken halten wollte, sondern auch, weil Alex ihr vertraute. Warum sonst wusste sie als einziger Mensch alles und alle anderen nichts? Weil Alex ihr vertraute.
    Leni legte sich auf das Bett des großen Bruders und drückte ihr Gesicht in das riesige Kissen. Es roch immer noch nach Alex, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie gestern und noch etwas weniger als vorgestern. Er würde bestimmt bald zurückkehren. Zum Glück fragten die Erwachsenen nicht mehr – obwohl, heute hatte sie es sich gewünscht, also dass Mama fragt und sie ihr antworten könnte, damit die Jungs bald wiederkämen. Drei Tage waren ganz schön lang.
    Leni schüttelte Alex’ Kopfkissen auf, stellte es senkrecht hin und schlug genau wie Mama mit der Handkante einen Knick in die Mitte. In diesen Knick setzte sie eines der Autos. Danach legte sie sich in ihr Bett. Warten, fand sie, war eine ganz schön blöde, vor allem aber auch eine langweilige Sache. Man selbst konnte gar nichts machen, eben nur warten.
    Nun gut, Alex wollte es so, also warte ich eben weiter. Morgen wird er bestimmt nach Hause kommen und mir eine Überraschung geben und dann von seinen Abenteuern erzählen. Er wird lachen und mich in den Arm nehmen und hoffentlich eine Ausrede parat haben, die ihm Keller und blaue Flecken erspart. Er wird zurückkommen und alles ist wieder wie immer.
    Leni küsste ihren Teddy und wischte sich mit einem seiner Ohren eine Träne ab. Alex wird kommen.
    Morgen.

26 Die Rückkehr

    Vor Stunden schon hatte Max seinen Bruder zum Teufel gejagt und mit ihm dieses vergiftete Wasser.
    Die Welt des Jungen hatte ihren Bestand verloren und das alles nur wegen ein wenig Wasser. Oder besser: wegen des Fehlens dieses Wassers. Max hatte inzwischen zwei Tage überhaupt nichts mehr getrunken und am Tag davor ausschließlich Cola. Sein Herz raste und als er jetzt nach der Taschenlampe tastete, bemerkte er, dass jeder einzelne seiner Finger zitterte. Kurz, bevor Timi sich so voller Hoffnung auf den Weg zu ihm gemacht hatte, hatte ihn zum ersten Mal ein Zustand vollkommener Verwirrung überfallen. Für wenige Minuten wusste er weder wie er hieß noch wo er sich hier befand – ein Gefühl, vermutete er später, wie es manche Alte haben müssen, wenn in deren Oberstübchen nicht mehr alles richtig tickte. So zu erwachen und nichts zu sehen und dabei all das, was er nicht sah, auch nicht zu verstehen, versetzte Max, als er wieder klarer denken konnte, in Panik. Er hatte Angst, in einen Zustand zu verfallen, der ihn zu einem dummen Stück Fleisch degradierte, noch weit unterhalb jeden Tieres angesiedelt, denn Tiere besaßen wenigstens noch Instinkte, er aber nichts als diese Angst.
    Als er in die Wirklichkeit zurückstolperte, schossen ihm beim Erkennen des Hier und Jetzt Tränen in die Augen. Aber dieses Erkennen hielt nicht lange an. Als Timi vor ihm gestanden und ihm das Wasser hingehalten hatte, identifizierte sein ausgetrockneter Geist dieses Trugbild sofort als das, was es sein musste: als eine Lüge, eine Versuchung, die alles nur noch viel schlimmer machen würde. Ein Stein hatte dieses Hirngespinst, welches wie der kleine Timi aussah, nur knapp verfehlt. Aber es verschwand.
    Was, zum Teufel, hatte eine Spinne hier unten verloren?
    Max betrachtete das Tier. Es erreichte nicht einmal die Größe seines Daumennagels. Das Licht seiner Lampe – man konnte es kaum noch als solches bezeichnen, aber Max fiel kein besserer Begriff ein – genügte zwar, um die acht Beine zu erhellen, die Zeiten aber, in denen Max von einem Ende seines Gefängnisses bis zur gegenüberliegenden Wand hatte leuchten und sehen können, diese Zeiten hatten sich längst verabschiedet. Wohin? Max zählte die Beine. Ja, dies schien eine der von ihm nicht zu beantwortenden Fragen zu sein: Wohin ging das Licht? Wohin er selbst? Existierte überhaupt noch ein Wohin oder hatte der Deckeneinsturz dieses Wort unter sich begraben und es lag jetzt neben dem Schwarzen im Grab und wartete wie der auf das Verfaulen seiner Bestandteile? Das kleine i dieses Wohin dürfte sich als Erstes in Luft auflösen. Max gab

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